Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! – forderte der Philosoph Immanuel Kant vor mehr als 200 Jahren. Er hatte etwas viel von uns verlangt, aber ein wenig sollten wir ihm schon entgegenkommen. Jeder auf seine Weise. Hier die meine.
Den Winter in Richtung Südwest fliehen und auf den Kanarischen Inseln landen. Zum Beispiel auf Gran Canaria, der drittgrößten. Viele machen das so, sie alle finden ein Plätzchen, wenn auch oft sehr gedrängt. Manche mieten sich ein Auto, um der Masse Mensch zu entkommen, und oft erwartet sie anderswo erneut Getümmel. Aber es gibt noch menschenleere Gebiete. Ein Glück für die 2200 heimischen Pflanzenarten, von denen 670 als so genannte Endemiten nur auf den Kanarischen Inseln beheimatet sind, davon 100 ausschließlich auf Gran Canaria.
a Gran Canaria hat verschiedene Gesichter, dieses hier ...
b ... und das da.
c Wellenreiter unter den Augen der Inselhauptstadt.
d Größere Tiere wird man kaum zu sehen bekommen, es sei denn, man geht auf den Fischmarkt.
a Eine der Charakterpflanzen, die Kanaren-Wolfsmilch (Euphorbia canariensis). Sie sieht zwar aus wie ein Kaktus, ist aber keiner. Die Pflanze kommt nur auf den Kanaren vor und behauptet sich selbst dort, wo die Menschen den Bauschutt hingekippt haben.
b Viel schöner macht sie sich hier in der Natur. Nur ist auch das keine Natur, ihr hat der Mensch schon vor Jahrhunderten den Garaus gemacht. Sein Appetit auf Holz und Weideflächen fürs liebe Vieh hat ihn den Wald, der die Kanaren bedeckte, roden lassen.
c Ein paar Bäume stehen noch. Es ist die Kanaren-Kiefer, Pinus canariensis. Charakteristisch sind die drei Nadeln am Kurztrieb. Auch die Kanaren-Kiefer ist für die Inseln endemisch.
d Kugelbüsche der Stumpfblättrigen Wolfsmilch, Euphorbia obtusifolia. Wie alle der weltweit mehr als 2200 Wolfsmilcharten warten sie bei Verletzung mit Latex auf, dem ätzende, giftige Stoffe beigemischt sind. So wirkt die Wolfsmilch-Milch auf Pflanzenfresser ausgesprochen abdressierend. Auch wir Menschen probieren nur ein Mal.
a Ebenfalls nur auf den Kanarischen Inseln zu Hause: Kleinia neriifolia, die Oleanderblättrige Kleinie. Sukkulent wie viele andere Pflanzenarten hierzulande, speichert ihr Stamm Wasser für trockenere Zeiten. Und die setzen prompt dann ein, wenn die Urlauber heranfluten.
b Nicht gerade schön, dieses dornig sparrige Gebilde, aber die Geometrie der Verzweigung ist es. Launaea arborescens, der Strauch-Dornlattich.
c Spätere Generationen werden uns um unsere Migrationstechiken beneiden. Aber vielleicht setzt man dann, wenn das Erdöl alle ist und die Kernkraftgegner trotzdem gewonnen haben, ganz auf Windkraft.
d Gerade überlege ich: Mich schwindelt, wie jetzt eben (Passiv!). ist etwas völlig anderes, als wenn "ich schwindele" (Aktiv!).
a Ebenfalls endemisch: die Kanarische Dattelpalme (Phoenix canariensis). Sieht schön aus, aber ihre Früchte schmecken nicht.
b Im Januar und Februar blüht der Mandelbaum nur für die Wintertouristen also. Sieht aus, als ob auch er zur Natur gehöre. Aber er stammt aus Südwestasien, wird seit alters im Mittelmeer kultiviert und ist hier eingebürgert.
c Kaum zu glauben: eine Blaumeise! Allerdings die Kanarenform. Die Spezialisten streiten noch, ob der Vogel vielleicht doch eher eine eigene Art verkörpert, dann Cyanistes teneriffae genannt, oder eben nur eine Unterart unsere heimischen Blaumeise ist (Cyanistes caeruleus, früher: Parus caeruleus).
d Da hab ich ihn doch endlich erwischt: den Kanari(warum eigentlich "i"? Man sagt ja auch nicht Andienkondor!)envogel. Tatsächlich, der Ururgroßvater des Harzer Edelrollers. Ornithologen nennen ihn Serinus canaria oder Kanaren-Girlitz. Er wurde am Ende des 15. Jahrhunderts von den spanischen Eroberern nach Europa gebracht und zunächst in Klöstern gezüchtet.
a Der Wiedehopf (Upupa epops) ist mit Ausnahme des Nordens über die gesamte Alte Welt verbreitet.
b Über den Wolken winkt der 3700 m hohe Teide herüber, das Wahrzeichen des 100 km entfernten Teneriffas.
c Es gibt Menschen, die können einen derartigen Kalender lesen.
d Strahlender Abschluss.