Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! – forderte der Philosoph Immanuel Kant vor mehr als 200 Jahren. Er hatte etwas viel von uns verlangt, aber ein wenig sollten wir ihm schon entgegenkommen. Jeder auf seine Weise. Hier die meine.
Gerald Wolf, Gastautor / 06.09.2021
Die Schnell- und die Langsamdenker
Der berühmte israelisch-amerikanische Psychologe Daniel Kahneman unterscheidet zwei Arten des Denkens: das schnelle, intuitive und das langsame, rationale. Politiker neigen zu Ersterem.
Frage: Wieviel kostet ein Ball, wenn ein Tischtennis-Schläger mit ihm zusammen 1,10 Euro kostet und der Schläger einen Euro mehr als der Ball? Die Lösung liegt auf der Hand: 10 Cent kostet der Ball. Ohne sonderlich nachzudenken. Wie nur machen wir das, wie schafft das unser Gehirn?
Ständig stürmen auf dieses knapp anderthalb Pfund schwere Organ Daten ein, in Massen. Gleich, ob wir aus dem Fenster gucken, über eine verkehrsreiche Straße gehen oder im Wald herumspazieren. Veranschlagt wird ein Informationsumfang von etwa 10 Millionen Bit pro Sekunde. Mit all den Eindrücken müssen wir fertigwerden, ohne viel nachzudenken, muss da ausgesiebt werden. Oft ohne überhaupt zu denken. Andernfalls wären wir kaum lebensfähig. Bei dem, was dann noch immer in unser Bewusstsein gelangt, entscheiden wir mit Höchstgeschwindigkeit, was wichtig ist – und wenn wichtig, was damit angefangen werden soll. Intuitiv. Doch geht das nicht ganz ohne Irrtümer ab. Folgenschwer, wenn wir als Autofahrer beim Rechtsabbiegen einen Fußgänger übersehen, wenn ein Stellwerker für einen ungeplant einfahrenden Zug die Weiche falsch stellt oder ein Politiker in hochverantwortlicher Position ein lebenswichtiges Argument aus der Wissenschaft kurzerhand in den Wind schlägt. Übrigens:
Die Lösung des Schläger-Ball-Rätsels
…war falsch! Andernfalls würden Ball (10 Cent) mit Schläger (10 Cent plus 1 Euro) anstatt 1,10 Euro 1,20 kosten. Allein schon über die Aufgabe schärfer nachzudenken, erfordert Energie. Noch mehr Energie, aber auch Zeit, benötigt die einzig richtige Lösung, nämlich: Der Schläger kostet 1,05 Euro und der Ball 5 Cent.
Das Schläger-Ball-Rätsel wird mitunter als der einfachste Intelligenztest der Welt bezeichnet. Daniel Kahneman – ein israelisch-US-amerikanischer Psychologe und Hochschullehrer, Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften – hat das Rätsel in sein Bestseller-Buch Schnelles Denken, langsames Denken eingebaut. Er benutzte Quellen, wonach zur Schläger-Ball-Aufgabe viele tausend Studenten geprüft worden seien. Über 50 Prozent von den Elite-Universitäten Harvard, MIT und Princeton hätte die intuitive – die falsche – Antwort gegeben, bei Studenten von Universitäten mit weniger strenger Auslese läge die Rate sogar höher als 80 Prozent. Kahneman spricht von „Denkfaulheit“ und zieht entmutigende Rückschlüsse auf die Qualität des logischen Denkens im Alltagsleben. Durch Propaganda-Anfälligkeit zeichnet es sich aus. So auch kommen hier leicht Gewissheiten zustande, die keine sein dürften. Oft finden sich dann für ein und dasselbe Problem gleich mehrere Gewissheiten. Nicht nur in der Religion, der Politik und der Produktwerbung, nein, sogar in der Wissenschaft. Es gibt aber jeweils nur eine Wirklichkeit, und das ist die objektive, die von unserem Empfinden und Denken unabhängige.
Innezuhalten, um nachzudenken, das Wieso und Warum zu hinterfragen, dem allzu schnellen Vertrauen zu misstrauen, erfordert Zeit, oft auch Kenntnisse, macht daher Mühe und ist nicht jedermanns Sache. Kahneman unterscheidet zwei Arten des Denkens: System 1 (schnell, intuitiv, emotional, unbewusst einsetzend, hartnäckig; beliebt) und System 2 (langsam, rational, abwägend, erklärend, begründend, aufwändig; weniger beliebt).
Nicht nur der Mensch als Einzelwesen wird durch das schnelle und bequeme Denken Opfer falscher Schlüsse, auch die verschiedenartigsten Gruppierungen sind davor nicht gefeit. Einigermaßen Schutz genießen die Anwendungsdisziplinen. Sie haben einen unerbittlichen Kontrolleur, das ist die Praxis. Entweder funktioniert die Sache, um die es geht, oder sie funktioniert nicht – die Uhr, das Flugzeug, das Computerprogramm. Wenn das eigene Produkt noch besser funktioniert als das der Konkurrenten, hat man eine Chance auf einen Platz in der oberen Reihe. Schlechter dran sind die theoretischen Disziplinen.
Und noch schlechter die Politiker.
Arme Politiker
Sie brauchen nicht nur gute Lösungen für ihre Probleme, sondern oft auch schnelle. Das Gute: Wenn dabei das Kind in den Brunnen fällt, haben das fast immer Andere auszubaden. Und ganz wichtig: Die Lösungsvorschläge sollten sich von denen der politischen Konkurrenz unterscheiden, koste es, was es wolle. Und Schlagfertigkeit ist gefragt, auch bei objektiver Unsicherheit. In Interviews über die Fragen des Moderators oder über Anwürfe der Opposition erst mal nachzudenken (System 2), werten die Schnelldenker im Publikum als Makel. Dabei sollte doch eher das Gegenteil der Fall sein. Gar noch in der Öffentlichkeit zuzugeben, dass die andere Seite die bessere Lösung hat, kommt politischem Selbstmord gleich. Verhängnisvolle Fehlentscheidungen finden so ihren Lauf. Tagtäglich werden wir deren Zeuge, gleich ob im eigenen Land oder in der Fremde.
Ich schließe die Augen, um Kahnemans Hypothese vom System 1 und 2 auszuprobieren. Ums Klima soll es gehen, beschließe ich, um die Erderwärmung. Sofort tauchen CO2 und erneuerbare Energien auf, Klimaneutralität, CO2-Einsparung, Verbrennungsmotoren, Wetterkapriolen, Klimaschutz, dann das Klimaziel 1,5 Grad. Und wieder CO2… Doch immer mischt sich das System 2 ein. Schon bei erneuerbaren „Energien“ protestiert es, Energie-Quellen seien gemeint, „Energie“ wäre eine fundamentale Größe in der Physik und die gäbe es nur in der Einzahl. Dann: Erderwärmung findet statt, bitte schön, aber durch Veränderung der Sonnenaktivität. CO2 – jawohl menschgemacht, aber bedeutungslos. Denn der Anstieg des CO2-Gehaltes der Atmosphäre passiert durch die wärmebedingte Ausgasung aus Ozeanen, sonstigen Gewässern und aus der Bodenfeuchtigkeit. Ein Diagramm taucht vor meinen geschlossenen Augen auf, mit dem gezeigt wird, dass die Kurve des atmosphärischen CO2-Gehaltes zwar stetig ansteigt, aber vom globalen Lockdown völlig unbeeinflusst blieb. Weltweit agierende Messstationen stehen dahinter. Und die halbe Welt macht auf „klimaneutral“.
Erneut versuche ich, meine Argumente über das System 1 einzubringen, ohne viel nachzudenken, schnell und intuitiv, doch es will nicht so recht klappen. Es ist, als wollte ich mich zwingen, bei der Ball-Schläger-Frage den Preis für den Ball mit 10 Cent anzusetzen, obwohl ich es nun besser weiß. Und um alles besser zu wissen, das zumindest zu glauben, habe ich mit Mühe, aber auch mit Freude eine Menge Wissen zusammengeklaubt. Die staatsnahen Medien taugten dazu kaum (weil einseitig), weit mehr das Internet. Der Vergleich mit den Medien in der DDR und dem Westfernsehen drängt sich da auf. Und das Bedauern, dass diese Art von Westfernsehen heute fehlt, das alternative.
Das Westfernsehen fehlt
Weiter tickt es in mir – CO2, wieso klimawirksam? Schon Einstein hatte gemeint, dass die Wechselwirkung von Strahlung und Gasmolekülen unabhängig von der Art der Moleküle sei. Mithin wird die Sonderrolle von CO2 bestritten. Die Erde ist, so kann man anderswo erfahren (sogar in manchen mit staatlichen Mitteln geförderten Medien), durch den CO2-Anstieg in der Atmosphäre grüner geworden, Wüsten gehen zurück. CO2 ist Pflanzen-Nahrung, in Gewächshäuser wird es extra eingeleitet. Vom CO2-Anstieg profitieren auch die „Energiepflanzen“-Kulturen. Bis zum Horizont dehnen sie sich aus, die Raps-, Mais- und Getreidefelder, und unsere Landschaft verarmt, wird verhunzt. Besonders schlimm hat es unsere Tier- und Pflanzenwelt erwischt. Wer, wie ich, die Natur liebt, als Ganzes wie in ihren Details, dem tränt das Herz. Und weiter rumort mein System 2, wieso Klimaziel nicht über 1,5 Grad? Es gibt auf der Welt viel mehr Kältetote als Wärmetote. Und es gab schon immer Warm- und Kaltzeiten. Auch ohne Menschen. Nur noch Gedankenfetzen lasse ich jetzt zu, Windstrom ist gleich Flatterstrom, Ersatz aus dem Ausland. Ob durch Kohle oder Kernspaltung erzeugt – egal... moderne Kernkraftwerke… Demontage unserer Kraftwerke. Unsere Autoindustrie, einstmals… egal.
Ich brüte weiter, will zum Corona-Theater. In einem weltweiten Großversuch wird, so ist zu erfahren, per Ausnahmegenehmigung Gen-Material verimpft. Bis dahin gab es am Menschen keinerlei Erfahrung mit verimpftem Genmaterial. – Ich werde müde, nur noch Stichpunktartiges fällt mir ein, dass Viren mit einsträngiger RNA, so die Corona-Viren, ausgesprochen stark zu Mutationen tendieren. Durch die Impfstoffe Selektion von resistenten Stämmen. Aktuelle Impfschäden. Was ist bei längeren Zeiträumen? Kollateralschäden durch Lockdown und soziale Isolierung. Was heißt „an oder mit Covid-19 gestorben“? Und überhaupt, was sind „Corona-Tote“? Zum Schluss fällt mir der Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts vom 15. Juli dieses Jahres ein.
Und der neuerliche „Gedankenspaziergang“ eines befreundeten Kollegen, der unter dem Namen „Paul F. Gaudi“ vorzieht, anonym zu bleiben. Beide Artikel sind wohltuend objektiv, mein System 2 freut sich … freut sich … freut sich ..., ich will Schlaf.
Doch der meidet mich. An die Kollegen muss ich denken, an die willfährigen und an die schweigenden. Gleich darauf an unsere Politiker und deren Medienleute. An die, die oben angelangt sind oder dorthin wollen. Allesamt gründliche Denker, Langsam-Denker, keine Frage. Sie kennen die Fakten und die Argumente. Negieren, Ignorieren und Verleumden ist da angesagt, Vereinseitigen, Unterdrücken, Überspitzen und Uminterpretieren. Das verlangt gründliches Denken. Lieber etwas langsamer als zu schnell. Vor allem jetzt, wo sich die Sache am Hindukusch so überraschend entwickelt hat. Zugegeben, 20 Jahre Erfahrung können hinten nicht reichen und auch vorne nicht. Ob die da oben auch Schlafprobleme haben? Ich jedenfalls, ich finde keinen Schlaf.