****       Sapere aude!        ****        
                 
Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! – forderte der Philosoph Immanuel Kant vor mehr als 200 Jahren. Er hatte etwas viel von uns verlangt, aber ein wenig sollten wir ihm schon entgegenkommen. Jeder auf seine Weise. Hier die meine.
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interview Psychologie


Das laute Schweigen der Fügsamen

Angststörungen haben zugenommen. Foto: Pexels

von Lena van der Breen. März 19, 2023


Corona-Lüge, Inflation, Energiepreisexplosion, De-Industrialisierung, Massenmigration, Impfnebenwirkungen, Ukraine-Krieg, Klimahysterie. Staatlicherseits ist dauerhaft Krisenstimmung und Panikmache angesagt. Die meisten schweigen. Wir sprechen mit Prof. Dr. Gerald Wolf über die Zeichen unserer Zeit.


LvB: Herzlich Willkommen, lieber Gerald Wolf. Wir freuen uns, Sie im Gespräch zu haben. Mögen Sie sich selbst kurz vorstellen?


GW: Danke für die Einladung. Mich nur kurz vorzustellen, fällt mir als 80-Jährigem schwer: Ich bin Hirnforscher, dazu studierte ich in Leipzig Biologie und Medizin. 1979 wurde ich nach Magdeburg berufen und war dort, an der späteren Magdeburger Universität, bis 2008 Direktor eines Institutes. Zunächst „Institut für Biologie“ genannt, nach der Wende „Institut für Medizinische Neurobiologie“. Da hieß es zusammen mit den Mitarbeitern Studenten ausbilden und forschen und publizieren. Zudem hatte ich als Prodekan und später Prorektor eine Menge Verwaltungsarbeit und Hochschulpolitik zu bewältigen. Manches gern, manches weniger gern. Was bis heute fortdauert, ist die Publiziererei.


Den Hirnforscher gefragt: Was machen Krisen und anhaltende mediale Panik mit uns Menschen?


Jeder Mensch reagiert anders, viele aber mit Anzeichen von Stress. Gleich ob der nach außen hin spürbar ist oder nicht. Gewissermaßen federführend sind dabei Regionen im Basisbereich des Gehirns, das Limbische System. Ganz besonders aktiv in stressigen Situationen ist der sogenannte Mandelkernbereich. Er sorgt für die Entstehung von Angst, aber auch von Wut. Diese aktivieren ihrerseits nach Art einer Sofortreaktion Strukturen, die die Überträgerstoffe Noradrenalin und Adrenalin freisetzen. Im Gehirn selbst, aber auch in den Nebennieren. Hinzu kommt in den Nebennieren die Bildung des eigentlichen Stresshormons, Cortisol genannt, das für die länger anhaltenden Stressreaktionen zuständig ist. Typischerweise entstehen dabei Angstgefühle, aber auch Wut. Beides zusammen vermag bei der Abwehr von Gefahrensituationen durchaus positiv zu wirken, wir sprechen von positivem Stress, von Eustress. In Notsituationen erbringen wir dann mehr Leistung – Aufmerksamkeit und Reaktionsschnelligkeit erhöhen sich, Herz- und Atemfrequenz steigen. Nehmen aber Stärke und Dauer der Stressfaktoren überhand, läuft der Betroffene Gefahr, krank zu werden. Und das wiederum ist abhängig von der jeweiligen Veranlagung, von sonstigen Krankheiten und vom Alter.


Kinder- und Jugendpsychiatrien sind überfüllt, psychische Erkrankungen wie Depressionen sind stark gestiegen. Anscheinend gibt es viele Menschen, die unter den politischen Maßnahmen der Corona-Inszenierung und anderen Panik-Erzählungen der Massenmedien leiden?


Empfindsame Menschen, und dazu gehören eben auch Kinder und Jugendliche, sind besonders anfällig, aufgrund von Panikmache psychische Auffälligkeiten zu entwickeln. Wenn ich den ganzen Tag mit Angst vor einem Killervirus isoliert im Zimmer hocke und auch noch glauben gelernt habe, ich könnte damit meine Eltern, meine Oma anstecken, ja, gar töten, dann löst das biologischen Alarm aus. Stresshormone, wie Adrenalin und Noradrenalin, werden vermehrt ausgeschüttet, und unser Cortisol-Spiegel steigt. Dieser erhöhte Cortisol-Spiegel schwächt wiederum unser Immunsystem und damit unsere körpereigene Abwehr. Wir werden also schneller krank. Oder bereits vorhandene Autoimmunkrankheiten verschlimmern sich. Bleibt der innere Alarmzustand länger erhalten, ist das ein Teufelskreis, der geradezu zwangsläufig krank macht. Die enorme Anzahl entsprechender Störungen sehen wir jetzt bei den Kindern und Jugendlichen. Auch in der gesamten Bevölkerung haben solcherart Schäden zugenommen. Hinzu kommen massenhafte Impfnebenwirkungen.


Viele der sogenannten Verschwörungstheorien aus der Corona-Zeit haben sich inzwischen als wohlbegründete Befürchtungen erwiesen. Für die Verantwortlichen und Mitmacher praktisch folgenlos. Nun sitzen wir in der nächsten Falle, der Klima-Krise, begleitet von Inflation, De-Industrialisierung, Krieg und Massenmigration. Warum gibt es nicht den großen Aufschrei?


Meiner Ansicht nach geht es den meisten Menschen wirtschaftlich noch zu gut. Das gilt sogar für den Osten unseres Landes. Immerhin nehmen die Menschen im Osten die Gefahr, die vom Staat ausgeht, „dank“ ihrer Erfahrungen in der DDR deutlicher wahr. Es gibt hier mehr Demonstrationen, diese sind besser besucht und die Plakate spiegeln die Krisen treffender wider, die die Regierung zu verantworten hat. Doch neigen die Menschen hier wie dort mittlerweile eher noch stärker zur Resignation, als das vor längerer Zeit der Fall war. Die Polizei-Einsätze wirken in ihnen noch nach und bestärken sie in der Ansicht, dass da von der Straße aus nichts zu machen sei. Anders ausgedrückt: Sie haben einfach Angst. Wie in anderen Fällen und zu anderen Zeiten auch, mag es da einen Kipp-Punkt geben, von dem an gehandelt wird, gegen die Angst. Oder eben auch nicht.


Was ist mit denen, die aus Angst einfach mitmachen, die aus Angst schweigen?


Angst ist eine der wichtigsten Determinanten unseres Verhaltens. Sie gehört zu unserer Grundausstattung und muss, entgegen dem Anschein, nicht etwa erst erlernt werden. Neugeborene kennen deshalb keine Angst, weil bei ihnen die Angst produzierenden Hirnstrukturen, die oben schon erwähnten Mandelkerne, erst mit etwa sechs bis acht Monaten ausreifen. Und damit die Fähigkeit, auf etwas Ungewöhnliches mit Angstgefühl zu reagieren. Bei dem einen Kind womöglich stärker als bei einem anderen, und das auch ohne schlechte Erfahrungen. Die aber kommen früher oder später noch hinzu und können sich mitunter so verfestigen, dass die Angst zu einem dominierenden Zustand wird. Fortan ist ihr Wesen von Ängstlichkeit, von Feigheit, bestimmt.
Dass angstbestimmtes Verhalten lebensrettend sein kann, zumindest vor Schäden bewahren mag, liegt auf der Hand, und deshalb ist es so verbreitet. Und mit ihm die Fügsamkeit. Die Politiker können sich freuen, wenn das von ihnen regierte Volk fügsam ist. Und wer es dennoch wagt aufzumucken, wird oft genug mit entsprechendem Erfolg in Angst und Schrecken versetzt. Wir müssen uns wohl damit abfinden, dass selbst unter jenen, die eine politisch „umstrittene“ Situation geistig hinreichend durchdringen und durchaus auch verändern könnten, eine große Anzahl von Duckmäusern weilt und „laut“ schweigt.


Was können Sie Menschen empfehlen, um sich einer solchen Situation zu entziehen?


Nun, jeder muss letztlich für sich selbst herausfinden, was ihm Distanz und Entspannung verleiht. Mir selbst tut es gut, einfach mal den Stecker herauszuziehen und ein gutes Buch zu lesen. Oder noch lieber, raus in die Natur zu gehen und sich ihrer Reste zu erfreuen.


Apropos Buch. In Ihrem aktuellen Buch „Hirn-Geschnetzeltes“ haben Sie eigene Beiträge, etwa 130(!), zu unterschiedlichen Themen zusammengestellt. Warum sollte man das Buch kaufen?


Bestens geeignet für jene, die Einschlafstörungen haben (lacht). Im Ernst, es sind sicherlich unterhaltsame, interessante und – wie schön! − kurze Beiträge, die sich zur Lektüre anbieten.


Ich danke Ihnen herzlich für dieses Gespräch.