****       Sapere aude!        ****        
                 
Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! – forderte der Philosoph Immanuel Kant vor mehr als 200 Jahren. Er hatte etwas viel von uns verlangt, aber ein wenig sollten wir ihm schon entgegenkommen. Jeder auf seine Weise. Hier die meine.
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Gerald Wolf, Gastautor / 17.08.2025 / Foto: Montage achgut.com/

Was ist Glück?

Ein Gefühl, das keiner erklären kann, aber jeder haben will. Neurochemie mischt mit, Politiker schwärmen davon, Hunde verstehen’s vielleicht am besten. Und wenn’s mal da ist? Dann ist es auch schon wieder weg.
Glücklich ist … wer vergisst. So heißt es in der Straußschen „Fledermaus“. Genauer: „Trinke, Liebchen, trinke schnell. Glücklich ist, wer vergisst“. Ganz so einfach aber ist das mit dem Glück nicht. Mit dem Trinken schon gar nicht. Und wie ist es mit dem Vergessen? Einfach vergessen? Ohne Frage aber ist: Glück und Glücklich-Sein, was gibt es Schöneres! Nur, wie kriegt man die beiden zu fassen?
Was überhaupt ist Glück? Schon bei kurzem Nachdenken wird klar, dass dabei wenig Verlässliches herauskommt. Natürlich ist ein großer Lottogewinn ein großes Glück. Zumindest scheint es so. Auch ein schönes neues Auto, eine Flugreise, ein prima Partner – das einzeln oder gar zusammen ist einfach „Spitze“. Doch, wie jeder weiß, kann sich so etwas leicht ins Gegenteil verkehren. Anders ist das mit dem Glücks-Gefühl. Es ist etwas unbestreitbar Gutes, etwas Wunderbares. Bis es irgendwann verschwindet. Warum hält dieser Zustand nicht an? Bitte, warum nicht ein Leben lang?
Auch hier wird beim Nachdenken schnell klar: Wir kämen vor lauter Wohlgefühl kaum noch vom Sofa runter. So besehen, ist das recht gut eingerichtet. Eingerichtet, wer, was? Wir streben nach dem Glück und dem wunderbaren Glücksgefühl, tun dafür eine ganze Menge, und wenn erreicht, muss es ja irgendwann mit der Strebsamkeit weitergehen. Aber wie? Ganz einfach, indem das Glücksgefühl abebbt und man sich um neues Glück bemüht. Und noch mal: „eingerichtet“ – wer oder was hat das gemacht? Manche werden an „den-da-oben“ denken, andere an die Evolution, die nächsten müssen sich darüber erst noch Gedanken machen. Und alle zusammen über das, was uns das Glück erleben lässt, das Glücksgefühl.
Nur gefühlt
In puncto Gefühle haben wir es mit einem großen Rätsel zu tun, mit einem der größten überhaupt, dem

Leib-Seele-Problem

Es ist unter anderem Gegenstand der Philosophie des Geistes. Während dem Verständnis dafür, wie in Nervenzellen ein Nervenimpuls entsteht, wie er fortgeleitet und auf andere Nervenzellen übertragen wird, keinerlei Grenzen gesetzt scheinen, ist das mit den Gefühlen anders, ganz anders. Qualia werden sie genannt. Dazu gehören die Sinnesgefühle wie auch alle Gefühle der seelischen Art.
Nur wir selbst können sie empfinden, höchst privat sind sie und daher weder lehrbar noch erlernbar. Auf welchem Wege auch sollten wir einem Farbblinden beibringen, wie wir Rot empfinden, wie es von Grün oder Blau zu unterscheiden ist, wie also Rot „geht“ und wie Grün. Oder wie einem Anhedoniker nahebringen, wie wir „Normalen“ Freude und Lust empfinden, wie Glück? Anhedonie bezeichnet einen Zustand, in dem Betroffene unfähig sind, solche Gefühle zu verspüren. In seltenen Fällen sind Anhedoniker von Geburt an für das Glücklichsein „blind“. Vor allem an sie ist hier zu denken.
Allein schon das Ausdrucksverhalten sagt uns, ob jemand Freude empfindet oder Schmerz oder Angst, Stolz oder Zorn. Seine Mimik zeigt uns das und seine Gestik. Wir fühlen uns dann gewissermaßen in den Anderen hinein. Freilich kann man sich hierbei irren, auch täuschen lassen. Gleichviel, die Gefühle sind nun mal die Stellschrauben, an denen sie alle drehen, zumindest zu drehen versuchen, allzumal am Glücksgefühl.
Und wie schwärmen die Politiker vom Glück „unserer Menschen“
Nicht nur unsere Freunde und Feinde und die Politiker und die Medien, auch die Lehrer, die Chefs, Künstler und Wissenschaftler oder all die tausenden Religionen mit ihren jeweiligen Moralpaketen und Gurus, die Volks-Pädagogen und die Demagogen, die Psychotherapeuten und all die Ratgeber mit ihren Kursen und Büchern. Ersterfahrungen machte ein jeder von uns mit Mutter und Vater und den bald mehr, bald weniger lieben Geschwistern. Wer immer es von den jeweilig Anderen ist, die einen machen das mit den Gefühlen gut, die nächsten eher weniger.
Und wie schwärmen die Politiker vom Glück „unserer Menschen“! Es sei das Hauptanliegen ihres Denkens und Handelns. Mit Worten tun sie das, mit verklärtem Blick, mit Schmelz in der Stimme und mit gut eingeübter Entschlossenheitsmimik. Gern auch mit alldem auf einmal. Um das Glück der Menschen schlechthin geht es ihnen, um alle die Menschen, die ihnen anvertraut sind. Oder von denen sie sich wünschen, dass sie sich ihnen anvertrauen.
Und immer aufs Neue die Frage, was Glück eigentlich ist, erst recht was es mit dem Gefühl für Glück auf sich hat. So viel scheint klar: Es ist der Lohn dafür, wenn wir etwas gut, etwas richtig gemacht haben. Zumindest wenn wir guten Grund wissen, das zu glauben. Schön auch, wenn Andere bereit sind, uns das zu glauben.

Wo genau tickt es da, wenn wir glücklich sind?
Im Gehirn, wo sonst? Zwar meinen wir, uns von Herzen freuen zu können. Doch kann das Herz gegen ein Spenderherz, ja sogar gegen ein künstliches Herz ausgetauscht werden, das Glücksgefühl bleibt, wo es schon immer war: in unserem Gehirn. Auch die schönen „Bauchgefühle“ entstehen nicht dort, wo wir sie verorten, nein, sie werden vom Gehirn in den Bauch projiziert. Im Gehirn sorgt ein hirneigenes „Belohnungssystem“ für das Glücksgefühl. Es erstreckt sich vom Mittelhirn bis in die Tiefen des Großhirns.
Immer, wenn der entsprechende Nervenzellverbund aktiv ist, fühlen wir uns wohl, sehen wir uns in unserem Tun bestätigt, empfinden wir Glück. Schon dann passiert das, wenn wir bei Durst trinken, bei Hunger essen, bei Kälte uns warm einpacken, bei Überwärmung für Abkühlung sorgen oder bei Einsamkeit für einen Schwatz mit Kollegen, Freunden oder dem Nachbarn. Ähnliches, wenn wir es uns nach getaner Arbeit behaglich machen.
Viele Untersuchungen gibt es hierzu, und sie alle endeten bislang im Ungefähren. Am ehesten scheinen sich jene auszukennen, die nie hirnbiologisch tätig waren, die nie versucht haben, den Zellen im Gehirn und ihren Molekülen auf den Grund zu kommen. Es ist fast so wie beim Klima und dem politisch hochbrisanten, weil „menschgemachten“ Klimawandel. Anders als bei der Glücks- oder Hirnforschung sind diese Leute gut bezahlt und bestens abgesichert. Daher auch lassen sich wahre Heerscharen von Politikern und Medienleuten über den Klimawandel und dessen schreckliche Folgen aus. Die Argumente echter Klimatologen hingegen werden ignoriert, verschwiegen, verleumdet.
„Gegriffen“ wird unter anderem mit Chemie
Was aber ist dran an dem hirneigenen Belohnungs-System, das für Lust und gute Laune und Glück zuständig sein soll, was an den Glückszentren und all den Glücks„hormonen“?
Im Vordergrund steht dabei das sogenannte „Limbische System“. Mit dem Begriff werden Hirnstrukturen zusammengefasst, die gürtelförmig (lat. limbus, der Gürtel) den Hirnstamm umfassen. Und tatsächlich, hier, vor allem hier, werden unsere seelischen Gefühle gebraut: Freude, Glück, Schmerz, Angst, Neid, Wut, Stolz, Scham, Liebe. Mehr als 50 solcher Gefühlsqualitäten wurden gezählt, auch mehr als 70. Sie alle drängen nach Erhalt dessen, was uns Freude macht, uns Glück verheißt, oder eben das Gegenteil vermeiden hilft: Hunger, Durst, Schmerz, Trauer, Neid, Skrupel, Ärger. Hier greifen die Möglichkeiten für eine moralische Er-ziehung und – jeder weiß es – Ver-ziehung. Chance also und Risiko zugleich.
Und „gegriffen“ wird unter anderem mit Chemie. Körpereigene Botenstoffe sorgen dafür, dass unter bestimmten Umständen, zumindest bei uns Menschen, Wohlbefinden bis hin zu Glücksgefühlen hervorgerufen werden. Zu diesen Stoffen gehören einige Aminosäure-Abkömmlinge wie Dopamin, Serotonin oder Noradrenalin. Daneben das Peptid Oxytocin, das aus neun Aminosäuren besteht, und die Endorphine, auch Opioidpeptide genannt. Bei Letzteren geht es allein um die Wirkung, nicht etwa um eine chemische Verwandtschaft zu den Morphinen (End„orphin“) oder sonstigen Inhaltsstoffen des Opiums. Endorphine sind ebenfalls Peptide. Diese binden sich auf der Oberfläche von Nervenzellen an spezielle Empfängermoleküle, die Endorphin-Rezeptoren, über die neben Schmerzlinderung auch Wohlgefühle vermittelt werden. Bis hin zu denen des Glücks.
Sämtliche Wirbeltiere und so auch ihre stammesgeschichtlichen Vorläufer verfügen in ihren Nervensystemen über Endorphine und die entsprechenden Rezeptoren. Heißt das, sie sind ebenfalls glückfähig?

Auch Tiere?
Um das zu erfahren, müssten wir uns, wie oben dargestellt, in diese hineinfühlen können. Wie aber in einen Karpfen oder in einen Grasfrosch? Selbst bei einem beliebigen Mit-Säugetier dürfte es schwierig werden, bei einem Biber zum Beispiel oder einer Kuh. Sie alle verfügen, wenn überhaupt, nicht über die Art von Mimik und Gestik, wie wir sie von unseren Mit-Menschen kennen. Am ehesten noch erfahren wir über die Mimik und Gestik die Glückfähigkeit bei unseren unmittelbaren tierischen Verwandten, den Menschenaffen. Noch überzeugender beim Hund.
Vor 10.000 Jahren ist er durch Züchtung aus dem Wolf hervorgegangen, vielleicht sogar schon vor 20.000 Jahren. Und nicht nur Gebrauchshunde. Für viele Hundebesitzer ist Bello, oder wie auch immer sie ihren Liebling rufen mögen, so etwas wie ein Mitmensch. Ja, mitunter sogar noch vertrauenswürdiger.
So verschieden die Hunderassen auch sind, allen gemeinsam ist ihnen die Ergebenheit gegenüber Frauchen beziehungsweise Herrchen. Deren Stimmung erfahren sie über ständigen Blickkontakt. Gut zu beobachten beim Spaziergang. Und das In-unsere-Augen-schauen und In-die-Augen-schauen-wollen ist es, was anderen Tieren fehlt, so auch dem Stammvater Wolf. Umgekehrt funktioniert das Miteinander ebenfalls. Da ist wohl kaum eine Regung im Hund, die dem mit ihm vertrauten Menschen entgeht. Selbst wenn der Wolf von Menschenhand aufgezogen wird, bleibt er ein Wolf. Dafür sorgt sein Erbgut, das sich unter anderem eben in dem Punkt Menschbezogenheit von dem der Hunde unterscheidet. Und Glück, kann ein Hund glücklich sein, kann er unglücklich sein? Fragen sind das, die von der Wissenschaft nicht entfernt so gut beantwortet werden können wie von den Hundebesitzern.

Ende wie Anfang: Was ist Glück?
Und: Wie ergibt sich, was wir als Glück empfinden, aus den „überastronomisch“ vielen Zustandsmöglichkeiten eines menschlichen Gehirns (10 hoch 1 Million in: Gerald Wolf: Das Gehirn ist zu klein für was es kann. KOMPAKT Nr. 284)?