Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! – forderte der Philosoph Immanuel Kant vor mehr als 200 Jahren. Er hatte etwas viel von uns verlangt, aber ein wenig sollten wir ihm schon entgegenkommen. Jeder auf seine Weise. Hier die meine.
Allzu weit reicht der Blick nicht. Aber alles, was er erfasst, ist besonders. Unterscheidet sich von dem, was Erzgebirge oder Schwarzwald so bieten. Und gar erst von der winterlichen Gräue in unseren Städten. Allein schon der in den Regenwäldern überall anzutreffende Schraubenbaum (Gattung Pandanus; oben, Mitte), was würde er bei uns kosten?
Zum Beispiel etwas in dieser Art gibt's zuhause nicht. Boas sind sonst nur im tropischen Amerika zuhause, nicht im benachbarten Afrika. Als das Gondwanaland vor mehr als 200 Millionen Jahren auseinanderdriftete, hingen Amerika und Madagaskar über die Antarktisregion ein bisschen länger zusammen. Hier die madagassische Baum-Boa, Sazinia madagascariensis.
–Vater möchte auch mal.
Lemuren, auch Makis genannt, sind die typischsten der Madagaskar bewohnenden Säugetiere. Früher "Halbaffen" genannt, lassen sie sich mittels DNA-Barcoding in immer weitere Arten auftrennen. Über die gesamte Insel verteilt, sind es zurzeit mehr als hundert. Viele der einzelnen Lemurenarten existieren nur noch in kleineren Gruppen. Wenn deren Isolate weiter schrumpfen, sind sie verloren. Und sie schrumpfen. Bevölkerungswachstum jährlich zwischen 2 und 3 Prozent! Da sind Lemuren hochwillkommenes "Bushmeat".
a Das Weibchen eines Mohren-Makis (Eulemur macaco; Nationalpark Montagne d'Amber im äußersten Norden des Landes). Feigen sind für sie Leckerbissen.
b Das Männchen zeigt, warum die Art so benannt wurde.
c An der Stirnzeichnung leicht zu erkennen und ebenfalls auf ein kleines Areal im Norden beschränkt: der Kronen-Maki (Eulemus coronatus; Nationalpark Montagne d'Ambre).
d Eindrucksvoll gezeichnet, der Schwarzweiße Vari (Varecia variegata). Er ist in mehreren Unterarten in den Regenwäldern auf der Ostseite der Insel verbreitet.
In Nähe von Ferienresorts werden die Lemuren mitunter handzahm. Denn alle meinen es gut mit ihnen. Hier ein Coquerel-Sifaka (Propithecus coquereli), der liebend gern eine Frau hätte. Aber da gibt's weit und breit keine. So lässt er sich eben auch mal mit der Menschenfrau Hella ein.
Der Indri (Indri indri), der größte der Lemuren. Seine durchdringend klagenden Laute sind in den Urwäldern des Ostens und des Nordostens zu hören.
a Viel kleiner, dennoch ziemlich groß: eine Gespenst- oder Stabschrecke.
b Wäre der Käfer nicht so klein, hätte er das Zeug zum Riesen: Trachelophorus giraffa, der Giraffenhalskäfer. Bei uns hat er einen Verwandten, den Haselblattroller.
c Mitten im Urwald, eine Landkrabbe mit violetten Beinen.
d Da hat sich dieses Krebstier (Nationalpark Lokobe auf Nosy Be) aber wesentlich besser geschützt.
Chamäleons kommen zwar auch in Afrika vor, ja bis hin nach Indien, aber solch eine Artenvielfalt nur auf Madagaskar. Viele von diesen urweltlich anmutenden Reptilien sieht man erst, wenn es dunkel geworden ist.
a Unglaublich, am Baumstamm unter Mull verborgen, ein winziges, dennoch erwachsenes Chamäleon! Brookesia ebenaui, so sein wissenschaftlicher Name.
b Größer und wunderschön bunt ist Labord's Chamäleon (Furcifer labordi). Es kommt in den Trockenwäldern des Westens vor. Kirindy Mitea Nationalpark.
c Es kann auch beißen.
d Eine ganz andere Species, könnte man meinen. Nein, es ist das zugehörige Männchen. Dem Weibchen fehlt die nasenartige Schnauzenkante. Und die Farbe – na ja, typisch Chamäleon, mal so und mal so.
Beruhigend, auf Madagaskar gibt es keine für den Menschen gefährliche Giftschlangen.
a Dieses Schlänglein hastete hinter einer Echse her, doch die hatte es geschafft, ungefressen zu verschwinden. Dromicodryas bernieri (oder die zum Verwechseln ähnliche Liopholidophis thieli?). Beide Arten im Westen Madagaskars nicht selten. Kirindy.
b Mimophis mahfalensis hatte mehr Glück. Vor meinen Augen schnappte sie sich ein Fröschlein.
c, d Die Madagaskar-Hakennatter, Leioheterodon madagascariensis, war gleich zweimal Fotostar, c im Trockenwald des Westens, d im Norden (Nationalpark Montagne d'Ambre). Mit ihrer aufgeworfenen Schnauzenspitze gräbt sie nach Echseneiern.
Straßenbekanntschaften
a Rückenschule entbehrlich. Die Madagassen, gleich welcher Abkunft, Frauen wie Männer und auch schon die Kinder, tragen alles auf dem Kopf. Balance zu halten, scheint ihnen angeboren zu sein. Der wunderbar aufrechte Gang hingegen ist Ergebnis dieses Haltungstrainings.
b Hühnertransporter. Die Tiere leben, was für eine Herausforderung für unsere Tierschützer! Aber nicht gesehen, nicht geschehen.
c Freude über den unerwarteten Besuch. Erstens, weil man fotografiert wird und sich hernach auf dem Display bewundern kann. Zweitens, weil dafür ein kleines Honorar winkt.
d Die Steineklopferin freut sich über die Abwechslung.
– Und unsereiner über die sogenannten Affenbrotbäume:
Adansonia grandidieri. Eine regelrechte Allee von diesen wunderbaren Riesen gibt es in der Nähe der westmadagassischen Hafenstadt Morondava.
Und so waren diese Bäume einst in den Wald (Trockenwald) eingebettet:
a, b Tausendfüßer unterschiedlicher Spezies trifft man auf Schritt und Tritt. Vermutlich schmecken sie grässlich, denn offensichtlich haben sie keine Fressfeinde.
c Sehr heimlich, dieser Blaue Seidenkuckuck (Coua caerulea).
d Was Tarnung vermag, demonstriert der Blattschwanzgecko Uroplatus sikorae. Wozu nur dient die so extreme Ziselierung der Iris?
e Schmetterlinge (Junonia hierta; Nymphaliden, Edelfalter) stürzen sich auf alles, was Mineralien enthält. Gern auch auf Fußschweiß.
f Seidenspinnen (Gattung Nephila) sind über die gesamte tropische Welt verbreitet. Sie bauen riesige und erstaunlich stabile Radnetze. Deren goldener Glanz hat ihnen den Namen Golden Sink-orb weavers verliehen.