Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! – forderte der Philosoph Immanuel Kant vor mehr als 200 Jahren. Er hatte etwas viel von uns verlangt, aber ein wenig sollten wir ihm schon entgegenkommen. Jeder auf seine Weise. Hier die meine.
Ende nicht gut, alles nicht gut!
Prof. Dr. Gerald Wolf
Selbst wenn dieses Jahr ohne einen neuen Weltkrieg zu Ende geht, ist alles nicht gut. Am schlimmsten für jene, die das Ende gar nicht mehr erlebten. Allein in Deutschland sind das etwa eine Million Menschen. Wieso? Rund 80 Millionen Einwohner bei einer mittleren Lebenserwartung von 80 Jahren – ein einfaches Rechenexempel also. Die Statistik genauer besehen, lässt erkennen: deutlich mehr Tote als sonst. Wegen der Übersterblichkeit, und diese als Ergebnis der verdammten Corona“pandemie“. Wie sich mehr und mehr herausstellt, sind daran weniger die Corona-Viren schuld, vielmehr ist es die Verimpfung einer auf sie gemünzten Messenger-Ribonukleinsäure (messenger ribunucleic acid, mRNA). Ein völlig neuartiges und, wie sich herausstellt, nur ungenügend getestetes Verfahren.
Doch sollen nach neueren Erkenntnissen nicht die verimpften mRNA-Moleküle die Haupt-Ursache der Impfschäden sein, sondern nicht hinreichend abgetrennte DNA-Bruchstücke (mRNA-Impfstoffe - DNA in Covid-Impfstoffen: Nur unkontrollierte Messfehler? - Teil 1 | Cicero Online; wer es genauer wissen will: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/?term=corona+DNA); weltweit 668 wissenschaftliche Veröffentlichungen, Stand 9.12.2024). Diese DNA wirkt in den Zellen des Impfopfers als fremdes Erbgut, so die Erklärung, und vermag vielfältige Schäden anzurichten. Bis hin zum Krebs. - Nun ist es mal gesagt! Hier und da auch anderswo, obschon nicht in den mit staatlichen Mitteln finanzierten Medien.
Ebenfalls absolut gar nicht gut
ist die Lage in der Ukraine. Wir erfahren zwar Tag für Tag und Abend für Abend von den Kriegen in aller Welt und wie entsetzlich deren Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung sind. Im Verhältnis dazu aber wenig Konkretes vom Krieg in der Ukraine. Vor allem kaum etwas davon, wie grausam er an der Front tobt. Im Internet geblättert, findet man für die ukrainische Seite die Zahl von etwa 200 000 Toten und „Vermissten“. Zu bedenken sei: Noch nie hat es einen Krieg gegeben, der nicht irgendwann zu Ende gewesen wäre. Und dieser Krieg hier?
Jeder Tag, mit dem er später endet, kostet weitere Menschenleben, auf ukrainischer wie auf russischer Seite. Zumeist trifft es junge Männer. Viele von ihnen sind Väter – Väter, die ihre Kinder nie wiedersehen, Kinder, die ihre Väter nie wiedersehen. Und nicht nur um Menschen geht es hier, auch um Geld, um Milliardenbeträge. Und um Macht. Wenn diese Entsetzlichkeit irgendwann dann doch zu Ende ist, wird man sich mit frisch unterzeichneten Urkunden gegenüberstehen, in feinen Anzügen, in weißen Hemden und mit sauber gewaschenen Händen. Daran klebt kein Blut mehr.
Was kann unsereiner - außer wahlfähig, ansonsten aber ohnmächtig – da tun? Eine Friedenspartei wählen. Die Grünen waren mal eine, dann eben Schwarz! Doch wer Schwarz wählt, wählt Grün! (https://philosophia-perennis.com/2024/12/07/wer-merz-waehlt-waehlt-gruen/).
Flatus, Flatulenz und Inflation
Fremdwörter sind das, Begriffe, auf deren Bekanntschaft wir nicht sonderlich erpicht sind. Der Wortstamm flatus rührt aus dem Latein und ist in seiner Erscheinungsform jedem bekannt. Nämlich als eine Portion Darmgas (Kohlenstoffdioxid, Methan, Schwefelwasserstoff), umgangssprachlich „Pups“ genannt. Auch die Flatulenz, die Blähung, das vermehrte Abgehen von Darmgasen, kann schon mal vorkommen. Selbst bei bester Erziehung und in den besten Kreisen (wenngleich ein wenig gewöhnungsbedürftig, vor allem für die Anderen). Gewöhnt aber haben wir uns mittlerweile an den letzten der drei Begriffe, an die Inflation - die Blähung des Geldes. Obschon uns diese hätte besser erspart bleiben sollen. Denn nicht nur Einzelne haben unter der Inflation zu leiden, sondern die Wirtschaft und die Entwicklungsmöglichkeiten der Gesellschaft insgesamt. Wie es heißt, trifft die Inflation uns Deutsche unter den Europäern am ärgsten.
Als Ursache wird die Politik ins Feld geführt, konkret: die mangelhafte Eignung der zuständigen Politiker. Sind sie deshalb schuldig zu nennen, schuldig etwa im strafrechtlichen Sinne? Sicherlich nicht. Schuld ist das Volk, der Souverän, der diese Leute über die entsprechenden Parteien gewählt hat. Und Schuld sind die Medien, die nicht umfassend genug aufgeklärt haben. Zwar gibt es demnächst eine neue Chance. Aber wird sie entsprechend genutzt werden? Verfügt der Souverän, das Volk, überhaupt über die für eine kluge Wahl notwendige Bildung? Was nicht alles hat sich die Bevölkerung während der Corona-„Pandemie“ einreden lassen, was nicht alles in Zusammenhang mit Klimaschutz? Zwar kriegt mittlerweile so mancher Pickel am Anus und sonst wo, wenn wer nur das Wort hört, aber weiß er über das Klima und dessen Ursachen wirklich Bescheid?
Ich, der Autor dieser Zeilen, habe ein Berufsleben lang Studenten nach ihren Kenntnissen befragt. „Studenten“ habe ich gesagt, wird mir bewusst, habe anstelle von „Studentinnen und Studenten“ das immer weniger gebräuchliche generische Maskulinum verwendet. Hätte ich hierfür gar das zunehmend übliche Partizip Präsenz „Studierende“ nutzen sollen? Keinesfalls, denn alle die Studenten waren in diesen Momenten keine „Studierenden“, nein, vor der Prüfung hätten sie es sein sollen. Zurück zum Anliegen: Mein heimlicher Wunsch wäre, einmal in diesem Leben Politiker in größtmöglichem Umfang nach ihrem Wissen befragen zu dürfen, wie z. B. zum Klima und dessen Ursachen. Und dann, falls relevant, zu entscheiden, wer im Amt bleiben darf und wer (vorerst) nicht!
Sollten nicht gerade auch dem Wähler solcherart Eignungsprüfungen zustehen? Inklusive der Möglichkeit, Bewerber, wenn sie durchfallen, von der Liste zu streichen?
Ende nicht gut?
Mag sein. Denn ein Rausschmiss ist nicht gut, allemal nicht für den Betroffenen. Aber womöglich für das Große und Ganze. Der künftige USA-Präsident soll sich dieses Mittels in großem Umfang bedienen. Wohl eher aus politischen Gründen als solchen wegen mangelnder Leistung oder kränkelnden Leistungswillens. Und sofort weiß ein jeder von uns, wenn es denn sein sollte, den es damit zu erwischen hat. Oft ohne darüber nachzudenken, ob man von einer solchen Rigorosität nicht vielleicht selbst betroffen sein könnte. O Gott! Oder o wer auch immer!
Früher war, gleich in welcher Gesellschaftsordnung, der Rausschmiss gang und gäbe. Auf der anderen Seite auch der unbedingte Leistungswille. Allein um Eignung ging es damals, nicht um das Geschlecht. Man muss sich nur mal vorstellen, unser Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg müsse wieder so aufgebaut werden, wie das damals der Fall war. Und tatsächlich, bald stand das Land wieder da. Mit seiner Wirtschaft eroberte es vordere Plätze. Heute gibt es die wieder ab.
Eine beachtliche Portion an Schaffenskraft war der Bevölkerung Deutschlands noch lange Zeit verblieben. Im Westen wie im Osten. Man denke an die damaligen Ernte-Einsätze im sozialistischen Teil unserer Heimat. Das Kartoffel-Lesen fiel später weg, Maschinen übernahmen die Arbeit. Und die Schüler und die studentische Jugend? Die stürzte sich stattdessen in ihre eigentliche Arbeit. Und tut das, im Osten wie im Westen, bis zum heutigen Tag. Oder? Nicht mit Schweißperlen auf der Stirn, statt deren unter der Bedingung der Work-Life Balance.
Na, ist das nicht ein gutes Ende, verehrte Leserin, verehrter Leser?
Glauben was, wem und warum?
Prof. Dr. Gerald Wolf
„Glaube keinem, nur Dir selbst!“, lautet ein Spruch des österreichischen Journalisten und Buchautors Josef „Joki“ Kirschner. Eines seiner Ratgeber-Bücher ist mit „Das Egoisten-Training“ betitelt. Gewiss hatte er das mit dem Ego nicht so ganz ernst gemeint, aber „mal offen und ehrlich“ (wie ausgelatscht!), ist an diesem Rat nicht vielleicht doch etwas Wahres dran? Jeder von uns kennt die Enttäuschung, wenn man mal wieder zu gutgläubig war und dadurch das Nachsehen hatte. Zwischen Glauben und Nicht-Glauben gibt es unzählige Stufen. Das Achselzucken mag da am wenigsten verbindlich sein. Oder doch nicht? Wenn ein Pilzberater gefragt wird, ob dieser oder jener Pilz hier im Korb giftig sei, was er denn glaube, steht ihm das Achselzucken nicht zu. Wenn er es nicht oder nicht genau weiß, hilft kein Achselzucken, sein Rat hat zu lauten: wegschmeißen! Und was, wenn die Tochter ihren Vater fragt, ob er glaubt, dass Friedhelm für sie der Richtige ist. Bei all den Zweifeln, die sie selber hat. Was gibt es da zu glauben? Wissen kann er es nicht, der Vater, auch nicht die beste Freundin, niemand. Gleichviel, alles Mögliche wird zur Glaubenssache, ob belanglos, halbwegs bedeutsam oder gar lebenswichtig. Genauso wenn es um Belange geht, die über das Persönliche hinausgreifen, um Politik, um Weltanschauung. Und erst recht, wenn es um „den“ Glauben geht, den der religiösen Art.
Ganesha, Jesus, Klimawandel
Für unsereinen ist der Glaube an den Elefantengott Ganesha absurd, für Andere der an Jesus. Von beiden gibt es Bildnisse und Berichte zuhauf, aber keine Belege. Jedenfalls keine verlässlichen, dass sie existieren bzw. jemals existiert haben. Anders ist das mit dem Klimawandel. Ständig hat sich das Klima auf unserer Erde gewandelt, und das ohne den Menschen, von Natur aus. Die Paläoklimatologie bietet dafür Belege, die bis zu 600 Millionen Jahre zurückreichen. Für den Klimawandel der Gegenwart jedoch wird der Mensch verantwortlich gemacht, allemal wenn dazu Politiker und Medienleute gehört werden. Oder die Menschen, die ihnen glauben. Allein er sei es, der Mensch, der den Klimawandel verursacht. Nicht direkt zwar, sondern das von ihm gemachte CO2 sei es. Allerdings kann kaum jemand von ihnen die Frage nach dem „Wieso?“ beantworten. Ein Klimakiller ist es nun mal, das CO2, heißt es dann ersatzweise, jedes Kind wisse das. Jedes Kind? Nein, noch nicht einmal die älteren unter ihnen wissen es, selbst wenn sie in den Fächern Chemie und Physik eine Eins vorzuweisen haben. Wissenschaftler, die nicht in den vorgegebenen politischen Rahmen passen, werden dazu nicht gehört. Für die Bevölkerungsmehrheit ist der durch CO2 verursachte Klimawandel eine Glaubenssache ähnlich wie Gott im Himmel.
Zum Glauben gibt es immer eine Alternative: das Wissen. Dazu gehört auch das Wissen, dass man das, was man wissen möchte oder sollte, nicht hat. Vorübergehend mag der Glaube als Wissensersatz herhalten. So früh wie möglich aber sollte er dem Bemühen weichen, das fehlende Wissen durch Anstrengung zu erlangen. Man kann Menschen fragen, die sich auskennen, oder in Büchern und Zeitschriften nachlesen, oder im Internet. Weit aufwändiger ist ein Studium an einer Fachschule, einer Hochschule, einer Universität. Wenn die Wissenslücken grundsätzlicher Art sind, niemand Bescheid weiß, niemand es wissen kann, bleibt nur die originäre Forschung.
In der Regel ist es auch hier der Glaube, mit dem man startet, von wegen aller Voraussicht nach könnte etwas so oder so sein, aber nicht so. Je näher die Hypothese an die Wirklichkeit herankommt, umso näher der Erfolg. Sollte man glauben.
Geglaubt wird viel, auch in der Wissenschaft
Oft mag das durch Forschung erlangte Wissen nicht zuverlässig sein und ist dann bald mehr, bald weniger Glaubenssache. Zumal dann, wenn die forschende Konkurrenz zu anderen Ergebnissen gelangt. Jahrzehntelang war man überzeugt, dass die wichtigste Ursache für die Demenz vom Alzheimertyp ein Eiweiß ist, das Beta-Amyloid, das sich im Hirngewebe der Patienten in Form von Klümpchen (Plaques) anreichert. Weltweit wurden und werden zu diesem Thema viele Milliarden Dollar investiert, zumal ein wirksames Medikament Billionen-Dollar-Gewinne verspricht. Nicht nur, dass es trotz vielfältiger Ansätze bis heute kein Heilmittel gegen die Amyloidanreicherung gibt, man kann noch nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob das Amyloid für die Alzheimer-Demenz eine ursächliche Bedeutung hat oder nur deren Folge ist.
Schlimmer noch, was aus den Bemühungen zur Entwicklung eines Impfstoffes gegen die Corona-Infektion folgte. All das geschah auf wissenschaftlicher Basis, allerdings eben ohne sich ausreichend Zeit für die Testung zu nehmen. Die Politik und der schmeichelhafte Erfolg in der weltweiten Öffentlichkeit drängten, der Corona-Schutz-Hypothese Glauben zu schenken, vor allem aber die daran gekoppelte Macht und, nicht zuletzt, die Liebe zum Geld. Nahezu unisono drückte man Skeptikern den Leugner-Stempel auf, schimpfte sie Schwurbler, Covidioten, Verschwörungstheoretiker, Rassisten, Rechtsextreme, ja, Nazis gar und Volksverhetzer. Berufsverbote drohten, seitens einer eilfertigen Judikative sogar Haftstrafen. Wie und warum auch immer, die meisten Menschen glaubten an die Schutzwirkung des gänzlich neuartigen mRNA-Konstruktes. Seit an Seit mit der Klimareligion entstand eine Art von Impfreligion. Ungezählte bezahlten ihre Leichtgläubigkeit mit schwerer Erkrankung oder gar mit Tod.
Dabei wirkte in Coronazeiten politikerseits eine Art von Diskursverbot. Von Ausnahmen abgesehen, waren Ärzte und Wissenschaftler schlankweg mit von der Partie. Nicht nur die meisten Internisten, Infektiologen und Epidemiologen hatten das Schweigegebot hingenommen, auch Biologen und andere Naturwissenschaftler. Denn ohne das Nebeneinander unterschiedlicher Meinungen, Theorien und deren modellhafte Erfassung kommt es in der Wissenschaft nun mal zu keinem wirklichen Erkenntnisfortschritt. Die Frage nun: Ist die Mehrheit der damals Verantwortlichen bereit, die seinerzeitigen Irrtümer einzugestehen, laut und für jedermann deutlich? – Nein, weiterhin das große „Psst!“, zu peinlich das Ganze. Auch wären, o Gott!, Strafmaßnahmen zu erwarten, zumindest fürchtet man um das Wohl seitens der staatlichen und sonstigen Geldgeber. Und viele, viele Einzelne um ihre Macht, um ihren Sessel.
Ur- und Grundvertrauen, von normal bis krank
Jeder Mensch wird in der allerersten Lebenszeit gegenüber Menschen und Situationen von einer Art Urvertrauen geprägt. Später werden die Weichen dafür gestellt, inwieweit wir der Welt und den Menschen um uns herum tatsächlich vertrauen dürfen. Entsprechende Erfahrungen in der Kindheit sollen weitreichende Folgen für unsere psychische Entwicklung haben und sich später nur noch in Grenzen verändern lassen. In welchem Ausmaß Früh-Erfahrungen die charakterliche Entwicklung beeinflussen, ist steter Streitpunkt zwischen genetisch oder umwelttheoretisch orientierten Wissenschaftlern. Immerhin liegen die Konsequenzen von Traumen in der Kindheit und Fehlerziehung klar auf der Hand und sind psychiatrisch oft nur noch mit begrenztem Erfolg zu behandeln.
In puncto Vertrauen und Persönlichkeit, was schon lässt sich da als „normal“ definieren? Die Palette reicht von vertrauensselig bis übervorsichtig. Irgendetwas passieren kann immer. Manch einer ist gestolpert und hat sich dabei die Hüfte gebrochen. Alles ist glatt verheilt. Wird man ihm künftig eine größere Vorsicht beim Gehen anmerken, oder gehört er zum Typ Aus-Vorbei-Vergessen? Größer noch ist das Risiko beim Treppensteigen, beim Fahrrad- oder Autofahren. Die meisten sagen sich: Es wird schon nichts passieren! Ansonsten dürfte man ja gar nicht mehr aus dem Bett steigen. Und ständig nur herumzuliegen, kann ebenfalls gefährlich sein, Bewegung braucht der Körper. So oder so, das Leben ist nun mal gefährlich, lebensgefährlich! Schon beim Schlangestehen kann man von irgendjemanden mit irgendeiner Krankheit angesteckt werden. Medikamente einzunehmen ist gefährlich, sie nicht einzunehmen ebenfalls. Gefahren lauern im Internet, bei der Begegnung mit dem Chef, sonst wo auf der Straße und sonst wo im Park. Auch Meinungsäußerungen können gefährlich sein. Also gar nicht mehr die Klappe aufmachen? - Nein und tausendmal nein, was für ein beschissenes Leben wäre das!
An nichts mehr zu glauben, alles zu bezweifeln und sogar den letzten Rest an Vertrauen gegenüber seinen Nächsten aufzugeben, letztlich gegenüber sich selbst, ist eine schwere Bürde. Sie begünstigt die Entstehung von Depressionen und Angststörungen. Zum Beispiel die der Angst, durch andere negativ beurteilt zu werden, soziale Phobie genannt. Wo aber ist denn nun die Grenze zwischen dem Leichtsinn auf der einen Seite und einem aus der Sicht Anderer ungewöhnlich hohen Sicherheitsbedürfnis? Irgendwo zwischen den Extremen pendeln wir hin und her. Sollte dabei das Hirnhormon Oxytocin eine Rolle spielen? Nicht von ungefähr wird es Vertrauenshormon genannt, auch Liebes-, Treue- und Kuschelhormon (Gerald Wolf: Das Liebespulver. Mitteldeutscher Verlag 2013).
Selbst höhere, offensichtlich erkenntnisfähige Tiere müssen sich fragen, wo die Grenze zwischen Vorsicht und gutem Glauben ist. Guter Glaube bei Tieren? Welche Instanz ist es denn, die den Sperling beseelt, wenn er dabei ist, durch das offene Fenster in eine Wohnung zu schlüpfen? Zunächst zögert er, hüpft paarmal hin- und her, vor und zurück, dann aber ab in die gute Stube! Offenbar in dem Glauben, es wird schon nichts passieren. In welchem Glauben? Sollten Tiere glauben können? Und wenn, woran? An etwas Höheres gar? Sollte es bei Tieren - o Gott! - ein Äquivalent von Gott geben, von unserem Gott? Ist unser Gott überhaupt unser? Zumindest muss er es nicht sein, falls er überhaupt ist, dieser Gott. Allein an ihn zu glauben, beweist nicht seine Existenz. Kinder glauben an den Weihnachtsmann, manche der Wehrmachtsoldaten glaubten an den Endsieg und viele Bürger heute glauben an den menschgemachten Klimawandel und die Gefährlichkeit der Opposition.
Wissen oder doch lieber nur glauben?
Der deutsche Philosoph Immanuel Kant (1724 – 1804) hat vier Grundfragen hinterlassen, von denen eine lautet: „Was kann ich wissen?“ Den Einzelnen betreffend, nicht sehr viel, ja, viel zu wenig. Zwar weiß die Menschheit insgesamt viel, viel mehr als jeder Einzelne von uns, aber auch dieses Wissen hat seine Grenzen. Denken wir an die Wechselbeziehungen der etwa 10 000 Molekülarten in einer einzelnen Zelle unseres Körpers. Kein Mensch kennt sich darin auch nur einigermaßen hinreichend aus, und nie und nimmer sind alle diese Wechselbeziehungen exakt berechenbar, mithin auch nicht präzise vorhersehbar. Wenn es zum Beispiel um bösartige Krankheiten geht, um Krebs, nimmt jede dieser Krankheiten ihren Ausgang von einer einzelnen Zelle. Tausende und abertausende Zellen gibt es in einem jeweiligen Organ. Eine davon ist es, die nicht mehr so tickt, wie sie sollte, und schon ist es passiert. Zur Krebszelle geworden, teilt sich und teilt sich die Zelle, und alle nachfolgenden übernehmen das hässliche Erbe. Schließlich kann der Wirtsorganismus daran versterben.
Wie kam es bei der ersten Zelle dazu, müssen wir uns fragen, was war die Ursache, die Ur-Ursache? Hätte sich ganz am Anfang diese eine Zelle, die Schicksalszelle, dieser Fehlleistung erwehren können, so die Frage, und warum hat sie in dem Einzelfall versagt, nicht aber irgendeine der anderen in dem Zellverbund? Selbst ein Computer von der Größe des von uns erfahrbaren Weltalls wäre überfordert, sollte er in dem konkreten Ursachengefüge allen in Frage kommenden Mechanismen nachzugehen haben. Selbst wenn jedes seiner Teilchen (1080, oder ein bisschen mehr oder bisschen weniger) in die Informationsverarbeitung einbezogen wäre, und das mit der theoretischen Maximalgeschwindigkeit (6,3 mal 1023 Operationen pro Sekunde, oder ein bisschen mehr oder weniger). Seit 1017 Sekunden (13,8 Milliarden Jahre) existiert unser Weltall, heißt es, zusammengenommen wären das 1040 x 1080 = 10120 Zustandsmöglichkeiten. Und diese würden nicht ausreichen, um über die gesamte Zeit hin alle die molekularen und atomaren Zustandsmöglichkeiten in einer einzelnen unserer Zellen zu berechnen, geschweige denn in den Abermilliarden Zellen unseres Körpers. - Besser also einfach daran glauben, dass es ja „irgendwie“ zugehen musste, wenn für den einzelnen Menschen die Katastrophe heranreift.
Warum auch sollte man alles wissen wollen? Wer schon will sein Sterbedatum wissen? Nein, der Glaube, von dem allemal genug zu wissen, was sich zu wissen lohnt, der reicht! Oder sollten wir wenigstens den Quantenphysikern glauben, wenn sie da meinen, dass alles aus Nichts entstanden ist, die Energie also und mit ihr die Materie, dass am Anfang nur Information war, freie Information. Oder wie es im Johannesevangelium heißt:
(https://www.achgut.com/artikel/Gibt_es_ein_ewiges_Leben).
Von Schrecken bis schrecklich
Prof. Dr. Gerald Wolf
Alles, was unser Wohlleben bedroht, quittieren wir mit Angst. Mit Schrecken, wenn die Angst plötzlich aufkommt. Unbilden der Natur mögen das sein – Erdbeben, Überschwemmungen, Flächenbrände, ein einzelner Blitz. Aber auch Unfälle, Krankheiten und übelwollende Menschen. Gefahren zu erkennen und ihnen auszuweichen, gehört zum Grundinventar unseres Verhaltens wie auch dem von lernfähigen Tierarten. Bei der Entstehung von Angst spielt bei uns Menschen und den mit uns näher verwandten Tieren ein Gebiet im vorderen Bereich des Großhirns eine besondere Rolle, Mandelkern (Amygdala) genannt. Beiderseits an der Spitze des Schläfenlappens gelegene Nervenzellansammlungen („Kerngebiete“) sind das. Menschen ohne Mandelkern kennen keine Angst. Wäre der Menschheit im Laufe der Zeit die Angstfähigkeit abhandengekommen, gäbe es uns gar nicht mehr. Denn plump wären wir auf jede Gefahr hereingefallen. So auch lernen Kinder frühzeitig, mit entsprechenden Warnungen umzugehen und was es heißt, sich zu erschrecken. Denn das gehört nun mal zum arterhaltenden Erziehungspotenzial. Darunter solchem der drastischen Art: die Drohung vor Gespenstern und das Erlernen der Angst vor dem Popanz.
Alte Schrecken und neue
Die Älteren unter uns kennen es noch: Wir sollten nicht in der Ruine auf dem Nachbargrundstück herumklettern und auch nicht in den Wald gehen, jedenfalls nicht allein. Warum? Weil es dort Gespenster gibt! Und wirklich, Peter, der Junge aus dem Nachbarhaus, hatte in dem Garten neben dem von Onkel Fritz einen Popanz gesehen. Als er dort Äppel klauen wollte. So erzählte er uns. Bald aber waren die Gespenster als Kinderschreck vergessen, und wenn jemand mit dem Popanz drohte, wurde nur noch gekichert. Auch, wenn der Weihnachtsmann mit der Knute winkte. Onkel Karl war’s, man kannte ja seine Stimme. Noch etwas später dann wurde die Angstmache bei uns im Osten abgelöst durch die Angst vor dem bösen Adenauer, im Westen durch die vor den bösen Kommunisten, und der Schrecken vor einem neuen Krieg machte dem vor dem letzten Weltkrieg Platz.
Die Erfolgsgeschichte der Schreckensgestalten ist lang. Im deutschen Kaiserreich hießen sie „Franzosen“, bei Hitler „der Jude“ und „der Russe“, späterhin, auf westlicher Seite, „Bolschewismus“ und „gelbe Gefahr“. Zu DDR-Zeiten übernahmen der „Klassenfeind“ und der Kapitalismus diese Rolle, der Imperialismus und der Revanchismus. Man sprach vom „reaktionären Mendelismus-Morganismus“ und von „bürgerlichen Begabungstheorien“. Zu den Zeiten, als den Kinofilmen noch die Wochenschau Der Augenzeuge vorangestellt wurde, waren die Berichte aus dem eigenen Land und der Sowjetunion in freundlichen Farben gehalten oder, wenn in Schwarz-Weiß, in ausgewogenen Grautönen, die vom Erzfeind Westdeutschland hingegen wurden in hartem Schwarzweiß-Kontrast und mit höherer Geschwindigkeit abgespielt. Alles wirkte dann gehetzt, wirkte gespenstig. Und das funktioniert auch heute noch, wenn rechte „Aufmärsche“ vorgeführt werden.
In den sechziger Jahren kam eine ganz neuartige Angst hinzu, die vor einem Atomkrieg. Alles andere als nur ein Kinderschreck war das. Denn 1962, während der Kuba-Krise, schienen die beiden Großmächte USA und Sowjetunion drauf und dran, mit ihren Kernwaffen Ernst zu machen. Seitdem haben sich auch andere Staaten solche Art von Schreckenswerkzeugen angeeignet. So schrecklich waren und sind sie noch immer, dass man sich bisher nicht getraute, sie einzusetzen. Denn mit der Vernichtung der anderen Seite droht immer auch die der eigenen. Womöglich ist das Erschrecken vor dem eigenen Erschrecken der derzeit beste Schutz.
Etwa zur selben Zeit, nämlich mit den sechziger Jahren, kam die Warnung vor einer Überbevölkerung auf. Von einer regelrechten Bevölkerungsexplosion war die Rede. In den Materialien des Club of Rome, später auch denen der UN, spielte die Sorge um die hemmungslose Vermehrung der Menschheit eine große Rolle. Doch bald wurde dieses Schreckgespenst zum Mythos erklärt und daher nicht länger gepflegt. Nun ist es einfach nicht mehr „in“. Obwohl das stete Wachstum der Weltbevölkerung zunehmend Sorgen bereiten sollte. 1980 bezifferte man die Anzahl der Menschen auf unserem Globus mit 4 Milliarden, heute sind es derer über acht.
Schreckliche Tiere, schreckliche Menschen
Im Tierreich ist der Kampf auf Leben und Tod weit verbreitet. Von Raubtieren weiß das jedes Kind. von Löwen und Tigern und Wölfen und Schlangen. Sie können uns Menschen anfallen und töten. Selbst ansonsten friedliche Wesen zeigen dann und wann, dass sie nicht auf Spaß aus sind. Kämpfende Elefanten und Hirsche und Auerhähne kennt man aus dem Fernsehen. Auch sind hier kämpfende Hirschkäfer zu sehen, Kraken, Skorpione, sogar kriegerische Mantis-Garnelen. Um Territorien geht es, vor allem um Weibchen. Auch so manche einzelligen Tiere haben die Potenz zu töten, einige von ihnen uns Menschen. Plasmodien, die Erreger der Malaria, parasitieren in unseren roten Blutzellen, Trypanosomen sind Erreger der afrikanischen Schlafkrankheit und der amerikanischen Chagaskrankheit. Hirnfressende Amöben gibt es.
Am schrecklichsten aber ist der Mensch selbst, zumal dann, wenn er auf die Tötung anderer Menschen aus ist. Anfangs tat er das mit bloßen Händen, später mit einer Keule und bald auch mit Waffen, die er eigens dazu aus Metall schmiedete. Heute setzt der Mensch dafür raffinierteste Technik ein, ausgeklügelte Chemie und von ihm eigens umprogrammierte Mikro-Organismen. Auch dann, wenn es nicht um den Tod von Feinden geht, können sich Schreckensszenarien entwickeln. Manche nur in den Köpfen, um damit Politik zu betreiben, andere sind echt. Da waren einst das Ozonloch und die FCKW mächtige Popanze. Sie haben mittlerweile so gut wie ausgedient. Wie auch das Waldsterben. Einfach, weil die Bäume gar nicht sterben, sondern mächtig wachsen. Zumindest bei uns, sofern Fehler beim Forsten vermieden werden. Eher droht Waldwildwuchs.
Eines der heute wirkungsvollsten Wortgespenster ist der Klimawandel. So paradox es scheint, die Pflanzennahrung Kohlenstoffdioxid (CO2) muss dafür herhalten. Sinkt der CO2-Gehalt der Luft unter die Hälfte der heutigen Konzentration, hört das Pflanzenleben auf und mit ihm das Leben auf der Erde überhaupt. Umgekehrt erhöht sich mit der CO2-Konzentration die Produktivität der Pflanzen. Gärtner blasen es deshalb als gasförmigen Nährstoff in die Gewächshäuser ein. Doch dreht sich gegenwärtig so ziemlich alles um das vom Menschen gemachte CO2, gehandelt als das Treibhausgas per se. Drei oder vier oder fünf Prozent des atmosphärischen CO2 sollen menschgemacht sein, die gegenwärtige Zunahme gar ausschließlich von ihm. Dazu passt ganz und gar nicht, dass die Konzentration dieses Gases während des weltweiten Lockdowns (2020) unvermindert anstieg! Nachgewiesen durch die wohletablierten Messstationen Barrow, Samoa, Südpol und Mauna Loa. Wie das?
Doch hält die Angst vor den Klimafolgen des menschgemachten CO2 weiter an. Um deren Botschaft nicht zu verunklaren, werden in der Öffentlichkeit andere Klima-Faktoren so gut wie ausgeklammert. So das Wasser in Form von Nebel (Wolken) wie auch von unsichtbarem Wasserdampf. Der Anteil des atmosphärischen Wassers als Klima“killer“ wird auf 95 % veranschlagt. Ist das CO2 also lediglich ein politogenes Gas? Wie auch immer, die drei Zeichen – C-O-2 – sind es, die auf den Fahnen der modernen apokalyptischen Reiter prangen. Künftige Zeitgeschichtler werden darüber debattieren, wie es gelingen konnte, gleichsam mit nichts in der Hand außer mit Spuren von CO2 eine solche politische Wucht zu entfalten. Auch wie zu unserer Zeit eines der kostbarsten Güter, die Begeisterungsfähigkeit, zumal die von Jugendlichen, in quasi-religiöser Manier für die Idee der „Klimarettung“ verausgabt werden konnte.
Wie die Wortgespenster füttern?
Besonders gut gedeihen die verbalen Bösewichter, wenn sie immer mal wieder mit neuen Argumenten, Wendungen und Beispielen gefüttert werden. Das müssen durchaus nicht Fakten sein. Schein-Tatsachen und bloße Korrelationen wirken selbst dann, wenn sie durch Gegenargumente in Frage gestellt werden. So begründet das Kontra auch sein mag, wird ihm der Zugang zum Mainstream verwehrt, bleibt es im Schatten und kümmert früher oder später dahin. Selbst wissenschaftlich verbriefte Wahrheiten können durch regelmäßig negative Konnotation zu etwas Üblen stilisiert werden. Umgekehrt gedeihen reinste Erfindungen, ja Lügen, für große Teile der Bevölkerung zu hochwirksamen Schlagworten, wenn sie, frei im Mainstream schwimmend, immer aufs Neue von dessen Ufern her gefüttert werden. „Schlagworte“ - Worte, mit denen man zuschlägt, nachschlägt, aufschlägt, um sich schlägt, andere aus der Bahn schlägt.
Was nicht alles hatte man mit unserem Volk, dem deutschen, durch die Teilung in Ost und West angetan. Kaum jemals war physische Gewalt im Spiel, nein, vor allem die Schreckensherrschaft der Worte von Hass und Hetze war es. Die erneute Spaltung ist kürzlich auf ganz andere Weise einem lächerlich kleinen Etwas gelungen – einem kaum mehr als einem zehntausendstel Millimeter großen Virus. Doch weniger ihm selbst, diesem Corona-Virus SARS-CoV-2, weit eher der Angst vor ihm. Das Corona-Spaltmesser funktioniert bis zum heutigen Tag, und sogar weltweit. Fehlende Kenntnis auf der einen Seite und Kenntnisse unterschiedlichen Grades auf der anderen dominieren seitdem, gepaart mit Angst und Schrecken und Hass. Kein Bereich des gesellschaftlichen Lebens wurde verschont. Mittels Corona-Angst ein ganzes Volk zu beherrschen, ja die halbe oder die ganze Welt, verlangte keine besondere Qualifikation. Mangelhaft Qualifizierte konnten das genauso gut. Sofern sie über einen umfangreichen Machtapparat verfügten und solange die Medien auf ihrer Seite standen und stehen.
Viele, viele Tote sind zu beklagen. Vermutlich weit weniger durch die Krankheit, viel mehr durch die mit ihr zusammenhängenden Kollateralschäden. Einerseits der Impfung mit unzureichend getesteten Präparaten geschuldet, andererseits einer obrigkeitsgelenkten Hysterie. Menschen, in Kliniken und Altersheimen isoliert, mussten ohne den Beistand ihrer Angehörigen sterben. Bis heute wird die Aufarbeitung der Corona-Politik durch die Verantwortlichen umgangen. So müssen wir uns fragen, was geschah unseren Kindern, wenn in Corona-Zeiten die Mund-Nase-Partie der Mitmenschen durch Masken verdeckt waren? Konnten sie später noch ausreichend lernen, Mimik zu deuten? Ein Gesicht, das uns als Erfahrene verrät, dass das Gegenüber Angst hat oder auf etwas stolz ist oder sich schämt.
Was, wenn ein Kind, ein Einzelkind zumal, anstelle mit anderen Kindern zur Schule zu gehen, im heimischen Isolat unterrichtet werden musste? Jeder mag sich dazu seine eigenen Gedanken machen. Voran die Pädagogen, die Psychologen und die Psychotherapeuten. Allesamt wussten sie Bescheid. Und unsere Politiker? Die haben gelernt, wie die Angst vor einer Ansteckung mit Corona-Viren die Menschen verändert, ja, wie sie ihr Volk (noch) willfähriger macht. Liegt es da nicht nahe, solcherart Schreckensgestalten auch weiterhin zu füttern?
Schrecken, lieb und teuer
Nie war es einfacher, Nachrichten unter die Leute zu bringen, gleich ob News oder Fake News. Wer schon kann den Wahrheitsgehalt überprüfen und vor allem, wie? Am bequemsten ist es – und damit gewissermaßen bindend für die Bevölkerungsmehrheit –, man vertraut den Medien, denn deren Leute sind überall ganz vorn dran, und die sollten es daher am besten wissen.
Politiker und Medienleute lächeln in sich hinein, wenn da jemand von denen da, den andern, meint, es besser zu wissen. Das Volk weiß nur das, was man ihm aus der Kaste der Wissenden zu wissen gibt. Die wenigen Eigenerfahrungen, über die Bürgerinnen und Bürger in ihrer Engsicht verfügen, sind allesamt Einzelfälle. Sollen sie doch mit ihrem Halb- und Viertelwissen eine eigene Meinung haben wollen, eine sogenannte „unabhängige“, im Gros der digital ausgetauschten Argumente wird ihnen bald die Luft ausgehen. Schlimmstenfalls verfügt man ja noch immer über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz und weitere Regelungen.
Im Gewirr politischer Texte einen Halt zu finden, ist schwierig, obwohl überall Angebote winken. Es ist ein bunter Salat aus Worten, Benennungen und Begriffen. Manche von ihnen mochten zunächst nur zur Etikettierung gedacht sein, an der politischen Bedeutungsschraube gedreht, aber werden sie zum Stigma. Oder, noch weiter gedreht, zum Übel in Buchstabengestalt bis hin zu einem ausgewachsenen Popanz. Um diesen dann den Gegnern um die Ohren zu hauen oder politisch Naive zu alarmieren. Mit etwa 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung ist die Zielgruppe allemal groß genug. Laut Sonntagsfrage. Der Rest wählt die Opposition, und diese oder die sonst wie Verbohrten kann man mit rein verbalen Schreckenswerkzeugen hochwirksam das Fürchten lehren.
Jeder fühle sich eingeladen, nach Beispielen für schreckensrelevante Begriffe zu suchen. Beim Schütteln wird die Ausbeute so oder so ähnlich aussehen:
Wutbürger, Volksverräter, Nazi-Pack, Rassismus, Meinungsfaschismus, Fremdenfeindlichkeit, Antifa, Lügenpresse, Wohlstandsnarzissmus, Lückenpresse, Bürokratie, Nationalismus, linksextrem, Identitäre, rechtsextrem, Eurozentrismus, CO2, Verbuntung, Dunkeldeutschland, Genderismus, Klimahysterie, Überbevölkerung, Islamismus, Verschwörungstheoretiker, Trump, Halbwahrheitenpresse, PEGIDA, marschieren, Klimakiller, AfD - nachgewiesen das und das, Willkommenskultur, linksgrün, braun, rot, homophob, Gutmenschentum, Geistesmief, Multikulti, Asylindustrie, Höcke, Volkspädagogik, Putin, Mitläufer-Demokrat, Antinationalismus, Hyperinternationalismus, political correctness, Merkelismus, Diskursverbot, Populismus …
Man spürt geradezu, wie da die Soße heraustrieft, die Popanz-Soße. Zum blanken Gift macht sie, wer Popanze – ähnlich dem Kuckucksweibchen, das seine Eier in fremde Nester schmuggelt – klammheimlich ins gegnerische Lager platziert. „Kuckuckspopanze“ gewissermaßen. Mit Hakenkreuzschmierereien durch Linksextreme oder mit deren Zeigen des Hitlergrußes klappt das mitunter recht gut, mit Hammer und Sichel oder rotem Stern (50 bis 100 Millionen Opfer) hingegen nicht.
So durchsichtig die Sache mit den Polit-Popanzen ist, sollte man vielleicht besser darauf verzichten? – Keine Chance! Vor allem: Sie sind zeit- und platzsparend. Zwar wäre ein ernsthafter Diskurs über einen jeweiligen Sachverhalt weit angemessener. Aber wer will das schon, und wer kann das schon? Diskurs setzt Kenntnisreichtum, setzt ein intensives Studium voraus, und dazu haben die meisten weder Zeit noch Lust. Außerdem ist die Gefahr viel zu groß, bei ernsthaftem Erwägen all der Pros und Cons am Ende der Verlierer zu sein oder gar vom Gegner umarmt zu werden. Da liegt das Anprangern des Gegenübers mit schreckensrelevanten Begriffen doch viel sicherer in der Hand.
Banal. Oder?
Prof. Dr. Gerald Wolf
Zum Beispiel: Punkt, Punkt, Komma, Strich … - in Dutzenden von Kinderreimen findet sich der Spruch, in Liedern und Malbüchern. Von jedem Kind im Handumdrehen zu lernen. Noch einfacher die Mutter Erde: eine Kugel, und fertig. Banal? Nein, symbolhaft ist das. Schon auf den ersten, spätestens auf den zweiten Blick hin sind die Gesichter sehr unterschiedlich, ebenso, was die einzelnen Regionen unserer Erde anbelangt. Die jeweiligen Unterschiede sind es, auf die es ankommt. Schon die Suche danach ist reizvoll.
Ein Rundblick in ein voll besetztes Fußballstadion. Gesichter, Gesichter, Gesichter – all überall Punkt, Punkt, Komma, Strich. Ist da irgendwo eines, das aus der Reihe tanzt? Nein, kein einziges. - Oh …, der da, das muss Eberhard sein. Natürlich, er ist es! Das Grundmuster seines Gesichtes ist dasselbe wie bei uns allen, und doch ist Eberhards Gesicht anders als das der Anderen. Etwas Einmaliges hat es, etwas Unverwechselbares. Wieso eigentlich? Jetzt sieht Eberhard auch mich. Wie sich seine Miene aufhellt! Aufhellt, heller wird? Natürlich nicht, nichts leuchtet da, aber es scheint so. Jetzt flüstert er etwas in Richtung seines Nachbarn. Der nickt, seine Miene aber bleibt unberührt. Dann auch bei ihm ein kurzes Aufhellen. Und wieder normal. Ein eher durchschnittliches Gesicht, das des Nachbarn. Punkt-Punkt-Komma-Strich. Und doch ist auch seines anders als das der anderen. Muss ja auch, denn unter den heute auf der Erde lebenden acht Milliarden Menschen gibt es kein zweites, völlig gleichartiges Gesicht. Abgesehen von dem eineiiger Zwillinge.
Unsere nächsten tierischen Verwandten haben ebenfalls Gesichter, die Affen also, zumal die Menschenaffen - Schimpansen, Gorillas und Utans. Auch die „Tier“affen, die Meerkatzen, Paviane, Rhesusaffen. Mehr als die Gesichter von anderen Tieren folgen Affengesichter dem Punkt-Punkt-Komma-Strich-Prinzip. Je entfernter die verwandtschaftliche Beziehung aber, desto weniger kommen uns die Gesichter als „menschlich“ vor.
Äußerlichkeiten
Auf sie kommt es an, wenn wir nach Unterschieden fahnden. Zum Beispiel die von Blättern der verschiedenen Baumarten. Sie alle haben bestimmte Grundstrukturen, sind gezähnt, glattrandig, paarig gefiedert, unpaar gefiedert, breit, schmal. So auch lässt sich anhand eines einzelnen Blattes die Artzugehörigkeit bestimmen. Gebuchtet sind die Blätter der meisten Eichenarten. Wer sich die Mühe macht, die einer Stieleiche miteinander zu vergleichen, ganz genau, wird feststellen, dass es von Blatt zu Blatt Unterschiede gibt. Trotz ein und derselben Grundstruktur. Nicht ein einziges Eichenblatt ist in der Form identisch mit dem eines x-beliebigen anderen. Und wenn schon, wen interessiert das? Alles andere als banal hingegen sind für uns die Unterschiede zwischen menschlichen Gesichtern. Und die können wir uns im Gegensatz zu den der individuellen Eichenblätter viel, viel leichter merken. Warum? Offenbar haben wir dafür eine besondere Begabung. Als soziale Wesen brauchen wir diese, um die Anderen als Individuen zu erkennen und zu akzeptieren.
Mehr noch, die Blätter der Bäume sind starr, sie haben kaum irgendwelche Eigenbeweglichkeit. Anders unser Gesicht. Dafür sorgen etwa zwanzig ungewöhnlich flache Muskeln, die unter der Gesichtshaut liegen. Hinzu kommen Gruppen feinster Muskelfasern. Sie entspringen am Schädel oder an bindegewebigen Strukturen und enden mit elastischen Sehnenfasern in der Haut oder den Weichteilen des Gesichtes. Ziehen sich diese Muskeln und Muskelchen zusammen, verschiebt sich die darüber liegende Haut, Furchen, Falten oder Grübchen entstehen. Und das in Abhängigkeit von der jeweiligen emotionalen Stimmung. Von der mimischen Muskulatur ist die Rede.
Mimik spiegelt
Lachen, weinen, schmunzeln, lieb gucken, zynisch oder böse, enttäuscht, freudig, hoffend, hochmütig - unser Gesicht soll mit mehr als 250 tausend (!) verschiedenen Ausdrücken arbeiten. Aus dem zunächst banal erscheinenden Punkt-Punkt-Komma-Strich spiegelt sich dabei das Intimste, was wir dem Gegenüber anzeigen beziehungsweise was wir von ihm erfahren können. Die Botschaften, die wir so übermitteln, erfolgen zumeist unbeabsichtigt, können aber gut und gern auch absichtlicher Art sein. Schauspieler sind darin besonders geübt, manche dafür auch hervorragend begabt. Denn einfach ist es nicht, mimisch glaubhaft Freude oder Trauer oder Interesse zu spiegeln, wenn einem nicht danach zumute ist. Oder eher im Gegenteil. Schauspieler müssen das können. Auch Betrüger.
Der US-amerikanische Psychologe Paul Ekman erkannte in den 1960er Jahren, dass bestimmte Gesichtsausdrücke überall auf der Welt gleich sind und von jedem Menschen verstanden werden. Ekman sprach von sieben Basisemotionen, die jeder Mensch auf der Welt bei jedem anderen an dessen Mimik zu deuten weiß, egal welchem Gebiet der Erde er entstammt und wie gut man den Anderen kennt: Freude, Wut, Angst, Ekel, Trauer, Überraschung und Verachtung. Bei Wut sind die Augenbrauen typischerweise heruntergezogen, die Augen zusammengekniffen, die Nasenflügel stehen auseinander, und die Lippen werden mit Druck geschlossen. Bei Freude ist die Stirn entspannt, es bilden sich Lachfältchen, die Wangen sind angehoben, die Nasenflügel auseinandergezogen, die Mundwinkel gehen nach oben.
Punkt, Punkt - die Augen seien die Fenster zur Seele, heißt es. Menschen blicken sich bei der Kontaktnahme in die Augen und signalisieren dabei Akzeptanz, Interesse oder Sympathie. Ebenso Antipathie. Beim Blickwechsel erkennen wir, inwieweit unserem Gegenüber zu vertrauen ist. Ob beim Flirten, im Job oder Vorstellungsgespräch: Die optimale Blickdauer sollte nicht länger als 3,3 Sekunden betragen, heißt es. Darüber hinaus wird aus dem Blick ein bedenkliches Starren.
In unserem Gehirn sind an emotional bedingten mimischen Reaktionen ganze Gruppen von Nervenzellen beteiligt. Die jeweiligen Aktivitätsmuster entsprechen in etwa denen, wie sie auch bei bloßer Beobachtung der Mimik eines Gegenübers entstehen. Man spricht daher von „Spiegelneuronen“. Selbst dann entsteht diese Art von Aktivitätsmustern, wenn man über den Gemütszustand oder die Handlungsabsichten eines Anderen nur nachdenkt! Seit der Entdeckung des Spiegelneuron-Prinzips im Jahre 1992 gibt es eine nahezu unüberblickbare Flut an Fachpublikationen. Solche „mirror neurons“ spielen für unser Zusammenleben eine große Rolle. Menschen erfahren auf diese Weise etwas über die Emotionen ihrer Sozialpartner. Durch bloße Beobachtung ihrer Mimik und Gestik können sie sich in deren Handlungsabsichten hineinversetzen und diese Handlungsweisen schließlich auch nachvollziehen.
Im Falle der Verachtung seitens Anderer resultiert im eigenen Spiegelneuronsystem ein Aktivitätsmuster, das etwa dem entspricht, wenn wir selbst es sind, die jemanden verachten. Nur eben dass der Grund dafür auf uns selbst bezogen wird. Scham, Reue, schlechtes Gewissen entstehen. Starke Gefühle sind das, solche mit Bestrafungscharakter. Umgekehrt, wenn die Mimik des Gegenübers Anerkennung signalisiert, erfüllt uns das mit Freude, vielleicht sogar mit Stolz. Das wiederum bestärkt uns in unserem Verhalten. - Der Vorteil für die Sozietät liegt auf der Hand.
Null-Acht/Fünfzehn
Nur eine Ziffernfolge ist es. Sie bedeutet, etwas dieser Art zur Kenntnis zu nehmen, ist nicht der Mühe wert. Ursprünglich war 08/15 einen Typenbezeichnung, mit der im Ersten Weltkrieg ein Maschinengewehr eingeführt wurde. Schon zu Beginn soll es ein wenig veraltet gewesen sein. Tagtägliches eintöniges Training erwartete die Soldaten, und bald hatten sie das ganze Drumherum gründlich satt. Im Jahr 1954 erschien dazu unter dem Titel "08/15" eine Roman-Trilogie, die wesentlich zur Verbreitung des Begriffs beitrug. Er steht heute für banal, belanglos, langweilig, gewöhnlich, alltäglich, mittelmäßig. Kurz: weg damit! Vorträge, Filme können Null-Acht/Fünfzehn sein, die Nachbarn, die Unterhaltung mit ihnen oder mit Kollegen, das Essen, die Kleidung. Ein wenig boshaft heißt es, auch für das deutsche Beamtentum würde der Begriff gebraucht - für „Null Ahnung, 8 Stunden Anwesenheit, A 15 Besoldung“.
Wer auf der Suche nach etwas Interessantem allabendlich das Fernseh-Angebot durchcheckt, wird dessen bald überdrüssig. Alles so oder so schon mal gesehen. Gleich ob Krimis, Liebesfilme oder Naturfilme – immerzu gleiche oder ähnliche Muster. Wenn Natur, dann nicht lange hin und ihre Gefährdung wird zum Thema. Kaum jemals wegen der Überbevölkerung, sondern fast immer wegen des Klimawandels. Null-Acht/Fünfzehn eben. „Klimawandel“, viele wollen den Ausdruck nicht mehr hören, zumal nichts vom „menschgemachten“ und nichts von CO2. Sie vermuten, dass es sich hierbei um Scheinargumente handelt, um damit politisches und wirtschaftliches Versagen zu kaschieren. Man hat von Gegenargumenten gehört oder gelesen, nie aber kommt es zu einem öffentlichen Diskurs. Auch an den Hochschulen und Universitäten fehlt die Debattenkultur. Allüberall Duckmäuser. Besser in solcherlei Hinsicht weiterhin 08/15, sagen sie sich, als durch Heldenmut die eigene Position zu gefährden!
Null-Acht-Fünfzehn gilt sogar für die tagespolitischen Sendungen, die von staatlichen oder staatsnahen Anstalten ausgestrahlt werden. Die für den Pepp zuständige Opposition - die eigentliche, also nicht die rötlichgrünlich gefärbten Unionsparteien – kommt dabei entweder gar nicht vor oder, wenn doch, in einer die Opposition diffamierenden Weise. Abend für Abend wäre eine Fülle an brisanten Nachrichten zu berichten. Allein schon die Frage, sollten die Deutschen weiterhin ihr Deutschland opfern, um die Welt zu retten? Ersatzweise wartet man dem – Zwangsgebühren zahlenden – Konsumenten mit Details aus Ländern auf, die er nicht oder kaum kennt und die ihn daher auch nicht oder kaum interessieren. Ein Wetterbericht ohne Hinweis auf den Klimawandel oder auf Unwetter oder unwetterartige Ereignisse ist kaum noch denkbar. Wenn nicht in unseren Breiten, dann sonst wo auf der Welt. Null-Acht-Fünfzehn eben. Was mit derartigen Vereinseitigungen angerichtet wird, hat jüngst die Corona-Politik gezeigt. Gegenwärtig sollen es die Affenpocken richten.
Am Ende ist zu fragen, ob es Banales überhaupt gibt, zumal in der Politik, für die das Banale zum Instrumentarium wird. Dann werden, genauer betrachtet, sogar die banalsten Banalitäten interessant. Man muss es nur wollen, das genauere Betrachten! Metaphorisch schon ist es der Blick in den Wassertropfen, per Mikroskop. Und ein weiterer dann in die Hinterzimmer der Parlamente und in die der Rundfunkanstalten und Redaktionsstuben großer Zeitungen.
Die Kultivierung der Dankbarkeit
Prof. Dr. Gerald Wolf
Das Gefühl echter Dankbarkeit ist ein Phänomen, das offenbar von unserer jüngeren Stammesgeschichte herrührt. Da völlig uneigennützig, zählt Dankbarkeit zu einem der edelsten Gefühlzustände, die unser Arsenal an seelischen Erlebensformen bereithält. Keiner vermag diesen Zustand zu beschreiben. Mit Worten nicht und mit Gesten nicht. Man stelle sich vor, jemand kenne diese Gemütsregung nicht, ein Alien zum Beispiel, und ihm sei nahezubringen, wie das geht mit dem Dankbarsein. Mit verklärtem Blick etwa und einer Aufwärtsbewegung der Hände, währenddessen man tief einatmet? – Ganz gleich wie, es funktioniert nicht.
Das Gegenstück zur Dankbarkeit ist der Undank. Unsere Kinder seien undankbar, heißt es. Und die Geflüchteten. Sie, die von wo auch immer Geflüchteten, sie würden doch bei uns auf so viel Entgegenkommen stoßen, erhielten Wohnstatt und Geld, ärztliche Hilfe und Rechtsbeistand, Kindergärten böte man ihnen an, Schulen und Integrationskurse. Dafür könnten diese Menschen doch mal durch die Straßen ziehen und laut skandierend „Danke!“ rufen. Und jene ebenso lauthals verdammen, die sich an uns, am Gastgeber, versündigen. Auch sollten sie, die Flüchtlinge, uns beim Haus- und Straßenbau helfen, in der Landwirtschaft, bei der Altenpflege – gemeinnützig, unentgeltlich, als Gegenleistung. Denn bei ihnen zuhause funktioniere das alles ja auch.
Und unsere Kinder? Höchstens, dass sie am Küchentisch mal so etwas wie ein „Danke!“ dahinnuscheln. Und das dann auch noch aus erzieherischen Gründen von der elterlichen Seite abgenötigt. Eher wohl wird das Gegenteil von Dankbarkeit beobachtet: Die Kinder verlangen, nölen und nörgeln und liegen mit ihren Forderungen den Eltern so lange in den Ohren, bis sie kriegen, was sie kriegen wollen. Egal, wie stark dafür ihre Eltern zu bluten haben. Und ob das überhaupt gut ist für sie, die Kinder.
Bei den Kindern anderer Völker ist das zumeist ganz anders. Die haben zu gehorchen. Hier stehen Vater und Mutter auf höchster Stufe, und die Kinder haben sich den Respekt der Familie zu verdienen. Heutzutage werden sie nicht selten mit Reisegeld ausgestattet, um unter Lebensgefahr ins Schlaraffenland Europa zu gelangen, insonderheit nach Deutschland, und von dort so viel Geld wie möglich nach Hause zu schicken. Zum Nutzen und Frommen der ganzen Familie. Aus Respekt und aus Dankbarkeit ihr gegenüber. Da wird nicht genölt, es sei denn, es handelt sich um eine moderne Ein- oder Zwei-Kind-Familie.
Vor längerer Zeit noch waren bei uns in Deutschland die Familien ganz ähnlich strukturiert. Schon das Vierte Gebot verlangte das: „Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt!“ Das Gebot ist eine Art von Generationenvertrag, der so oder so für alle Völker der Welt gilt – oder eben zu gelten hatte. Nicht nur aus formellen Gründen, nein, um eine Herzensangelegenheit geht es, eine, die aus einer tief empfundenen Dankbarkeit geboren ist.
Wasserflöhe kennen keine Dankbarkeit
Und nicht nur die. Weder Blattläuse noch junge Amseln kennen ein solches Gefühl nicht − mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht −, vielleicht noch nicht mal unser Hund. Er ist lieb, ist uns treu ergeben, aber dankbar? Auch meinen wir, der Bonsai zeige sich dankbar, wenn er von uns ins Licht gestellt, regelmäßig gegossen und beschnitten wird. Aber dankbar in dem Sinne, wie wir es von uns selbst kennen? Nie und nimmer.
Wie jedes andere Gefühl ist das der Dankbarkeit ein höchst subjektiver Erlebniszustand, der wie alle die sogenannten Qualia nur aus unserer absoluten Privatheit heraus zu erfahren ist. Zwar können wir uns darüber mit Anderen austauschen, aber nur deshalb, weil wir wissen oder zu wissen glauben, dass diese ebenfalls über derlei Gemütserfahrung verfügen. Anders gewendet: Wie sollte man einem Farbenblinden den Unterschied in den Farbempfindungen für Grün, Rot und Gelb erklären, wenn er Farben aus eigener Erfahrung nicht kennt, wie einem Psychopathen nahebringen, was unsereiner bei Mitleid empfindet?
Dankbarkeit gehört zur Klasse der positiven Gefühlszustände. Man kann bei der Empfindung tiefer innerlicher Dankbarkeit womöglich zur gleichen Zeit nichts Negatives verspüren, nicht Wut, Hass oder Neid, nicht Feindseligkeit oder Ärger. Die Hirnforschung hat sich bisher kaum um das Phänomen „Dankbarkeit“ gekümmert. Wie auch? Tierversuche scheiden mangels Zugänglichkeit ihrer Gefühlswelt aus, und das Wenige, was dazu am menschlichen Gehirn unternommen werden kann, zeigt einfach das, was zu erwarten ist: Nirgendwo bleibt es still im Gehirn, wenn uns Dankbarkeit durchflutet. Am eifrigsten wohl werden sich die sogenannten Glückszentren melden, Nervenzellansammlungen an der Basis unseres Gehirns, voran der Nucleus accumbens mit dem mesolimbischen System. Diese Regionen sind aber auch dann aktiv, wenn wir im Schach oder beim Hochsprung gewinnen, Empfänger eines Liebesbeweises sind, Tiramisu auf der Zunge zergehen lassen oder dem dritten Klavierkonzert von Rachmaninow lauschen.
Um dankbar zu sein, bedarf es eines Grundes. Einer Person können wir dankbar sein, wenn sie uns Gutes getan hat, vor allem dann, wenn es selbstlos geschah. Oder gar von ihr ein Opfer abforderte. Allenfalls genügen Abstrakta, zum Beispiel mögen wir dem Schicksal dankbar sein, dem Leben an sich, dem schönen Wetter. Oder Gott.
Besser noch als Antidepressiva
Dankbarkeit ist ein gutes Gefühl. Nicht nur für den Empfänger, ebenso für den Sender. Sich in Dankbarkeit zu üben, ist, wenn auch eher selten praktiziert, ein Stück Psychotherapie, womöglich wirksamer noch als Antidepressiva, Yoga oder verbissenes Joggen. Andere können dabei helfen, entsprechende Überlegungen anzustellen, die Eltern, Freunde und – mit einem Quäntchen Glück – ein kluger, einfühlsamer Mensch in der näheren Umgebung.
Was aber, wenn es uns soweit recht gut geht, sich dafür aber Dankbarkeit nicht einstellen will? Wem konkret auch sollte man danken? Dem Staat etwa, wenn er seinen Pflichten nachkommt, wie sie sich aus der Gesetzeslage heraus ergeben? Zum Beispiel bei Gewährung der Altersrente? Oder der von Asyl oder Aufenthaltsrecht?
Auch dem Partner muss man doch wohl nicht sonderlich danken, wenn er unsereinem hilft, denn das ist ja seine Pflicht. Oder? Ebenso ist es die Pflicht der Lehrer, uns gut zu beraten, die der Ärzte, der Polizei, der Rettungsschwimmer und der Feuerwehr, uns vor Schaden zu bewahren. Nervig ist die stete Dankeserwartung der Eltern, die einen einst gepäppelt haben. Pflichten sind das, selbstverständliche, gottverdammte Pflichten! Die Grenze zum
Un-Dank
ist da nicht fern. Wer kennt sie nicht, die Klagen über undankbare Kinder, undankbare Freunde, undankbare Schüler, undankbare Kunden, undankbare Bürger oder ein undankbares Publikum? Das Missbehagen, das durch Undank ausgelöst wird, kann viel größer sein als der seelische Profit, der von der Dankbarkeit herrührt, nur eben ins Negative gekehrt. Undank mag einzelne Menschen treffen, aber auch ganze Generationen betreffen.
Zum Beispiel die Generation, die nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland aus Schutt und Asche wiederaufgebaut hat. Oft mit bloßen Händen. Es ist die Generation der „alten weißen Männer (und Frauen!)“. Von außen her gab es kaum Hilfe, allzumal nicht im Osten. Im Gegenteil, hier wurden durch die sowjetische Besatzungsmacht die wenigen funktionierenden Reste an Technik demontiert und nach Hause abtransportiert. Oder denken wir an jene, die Kinder und Kranke auf Flüchtlingstracks unter Beschuss gen Westen schleppten, nach Deutschland. Wo steht ihr Denkmal?
Ich hasse Undank mehr an einem Menschen
Als Lügen, Hoffart, laute Trunkenheit.
Als jedes Laster, dessen starkes Gift,
Das schwache Blut bewohnt.
William Shakespeare
Guter Rat, wenn es mit der Dankbarkeit nicht so recht klappen will:
üben, üben, üben!
Man muss nur wollen. Oder auch nicht
Prof. Dr. Gerald Wolf
Einen Willen zu haben, ist das eine, willenlos zu sein das andere. Willenlos, das ist man während einer Ohnmacht oder als Opfer von k.-o.-Tropfen. Umgekehrt kann Willen verordnet werden, am erfolgreichsten per Diktat. So geschehen in der Corona-Zeit. Da wollten viele nicht geimpft werden, mussten aber wollen. Sonst hätten sie ihre Arbeitsstelle verloren, ihre kranken oder gar sterbenden Angehörigen nicht besuchen dürfen, oder ihnen wurde der Zutritt für Kinos und Theater gesperrt. Die Impfschäden hingegen, die wollte keiner. Auch wollten die Offiziellen nichts von Impfschäden hören, mussten aber und müssen das immer drängender. Manche von ihnen hören die Handschellen klicken, wollen aber nicht.
Solange man nicht darüber nachdenkt, was Willen ist, erscheint er einem als etwas ganz Normales. Das hört sofort auf, falls man fragt, wo denn der Sitz des Willens ist und wo der des Nicht-Wollens. Im Herzen vielleicht? Denn wenn es heißt, etwas „von ganzem Herzen“ zu wollen, dann sollte der Wille ja auch seinen Sitz dort haben. Zum Beispiel wenn ein Paar heiraten will, und das gegen massiven Widerstand. Oder wenn jemand herzlich gern dem Freund, der Freundin aus der Patsche helfen oder dem Chef mal ordentlich die Meinung geigen will. Also doch das Herz? Dann aber müsste bei einer Herztransplantation auch der Wille des Spenders mitverpflanzt werden. Das jedoch passiert nie. Und warum? Gerade mal eine Blutpumpe ist das Herz und, im Nebenjob, der Produktionsort für das atriale natriuretische Hormon, das den Salz- und Wasserhaushalt zu regulieren hilft. Wenn das Herz also nicht für die Willensbildung zuständig sein kann, so kommt es doch für die Projektion dieses Gefühls in Frage. Es schmerzt beim Versagen eines Willens und, andernfalls, hüpft es vor Freude. Beim Phantomschmerz wird das Prinzip der Gefühlsprojektion ganz deutlich. So können Menschen, denen ein Arm amputiert worden ist, klar umrissen in der fehlenden Hand Schmerzen empfinden.
Wille ist Hirnsache, nichts sonst
Alle möglichen Organe können durch eine Transplantation ohne Konsequenzen für die Willensbildung ausgetauscht werden, nur das Gehirn nicht. Und auch nur dieses Organ kommt als Sitz des Willens und des ihm zugrundeliegenden Ich-Empfindens in Frage. Aber wo genau ist dieser Sitz? So sehr man bisher auch suchte, nichts von der Art eines entsprechenden Zentrums wurde gefunden, geschweige denn so etwas wie eine präsidiale Nervenzelle, die für die Willensbildung zuständig wäre. Funktionszentren gibt es so einige im Gehirn, aber immer nur für einfachere Aufgaben. Je komplexer eine Hirnfunktion ist, umso weniger kommt eine begrenzbare Lokalisation in Frage. Geschweige denn eine punktuelle. Die bunten Hirnkarten, die sich mit speziellen bildgebenden Verfahren (funktionelle MRT, Brain Imaging) erzeugen lassen, machen zwar den Eindruck, als handele es sich hierbei jeweils um farbig abgegrenzte Funktionsbezirke. Doch täuscht dieser Eindruck. Jeder Bildpunkt besteht aus …zig oder aus hunderten und gar aus tausenden verschiedenartigen Nervenzellen und aus noch weit vielfältigeren Verbindungsbahnen und funktionellen Kontaktstellen, Synapsen genannt. Eine ins Einzelne gehende Analyse wäre vonnöten, übersteigt aber bei weitem nicht nur die praktischen Möglichkeiten, sondern auch die theoretischen. Und das wegen der „überastronomisch“ hohen Komplexität bis in alle Ewigkeit.
Der US-amerikanische Hirnphysiologe Benjamin Libet (1916 - 2007) ist ganz anders an die Frage nach dem Willen und dessen „Sitz“ im Gehirn herangegangen. So simpel seine Experimente zur Orts- und Zeitbestimmung scheinen mögen, zeigten auch sie, dass die Sache mit dem Willen und dessen Freiheit höchst vertrackt ist. Schon die Antwort auf die Frage ist es, ob unsereiner frei ist in der Entscheidung, was man will und warum überhaupt und zu welchem Zeitpunkt das Ich dies entscheidet. Libets Experimente scheinen das Empfinden eines freien Willens als bloße Illusion nahezulegen.
Die Freiheit des Willens, eine Illusion?
Die Versuchspersonen hatten den Auftrag, in einem Zeitraum von 10 Sekunden einen bestimmten Finger zu heben. Wann genau, war ihnen überlassen. Nur mussten sie sich anhand eines schnell umlaufenden Zeigers merken, zu welchem Zeitpunkt sie den Finger heben wollten. Über Elektroden, die auf der Kopfhaut angebracht waren, wurde ein sogenanntes EEG (Elektroenzephalogramm) aufgezeichnet. Damit ließen sich die Signale registrieren, die von der für die Fingerbewegung zuständigen Hirnregion ausgesendet werden. Erwartungsgemäß gingen diese Signale dem Anheben des Fingers voraus. Wie die Messungen ergaben, um etwa eine fünftel Sekunde. Und diese Signale sollten, so die anfängliche Vermutung, mit der Entscheidung „Jetzt will ich!“ zusammenfallen. Das aber stimmt nicht! Etwa eine drittel Sekunde vor dem „Jetzt will ich!“ gingen von einer vorgelagerten Hirnregion sogenannte Bereitschaftspotenziale aus, und das blieb, wohlgemerkt (!), von den Versuchspersonen gänzlich unbemerkt!
Die Schlussfolgerung: Nicht ich entscheide, was ich und wann ich etwas will, sondern eine Hirnregion, von der ich nichts weiß! Von anderen Forschern wurden die Libetschen Experimente nachgestellt, zum Teil auch verändert. Zum Beispiel derart, dass die Versuchsperson aufgefordert wird, sich in dem genannten Zeitraum zu entscheiden, ob sie eine Taste auf der linken oder auf der rechten Seite drücken will. Herauskam im Wesentlichen immer wieder eine Bestätigung der früheren Ergebnisse.
Mittlerweile gibt es Befunde, die aufgrund von Blutflussveränderungen im Gehirn eine weitere Interpretation zulassen: Je stärker sich die Versuchsperson auf das Wann der Ausführung konzentriert, desto größer ist die zeitliche Kluft zwischen dem Wollen und der Ausführung und umso mehr rückt die Ausführung an die Entstehung der Bereitschaftspotenziale heran. Am Ende möglicherweise so weit, dass das, was wir als den Willen empfinden, etwas Bestimmtes zu tun, mit der Entstehung der unbemerkt bleibenden Bereitschaftspotenziale zusammenfällt.
Nicht ich bin es, nein, mein Gehirn ist es!
Die Aufregung ob solcher Erkenntnisse ist groß. Die Debatten führen bis zu der Behauptung, kein Mensch könne für das verantwortlich gemacht werden, was er tut oder lässt. Denn das setze ja die Freiheit des Willens voraus. Diese aber sei durch die Neurophysiologie in Frage gestellt. Ein Grundsatz des Strafrechts ist, eine Täterin oder ein Täter hätte sich ja auch anders verhalten und so die Straftat vermeiden können. Hätte sie, hätte er? Warum, so muss man sich dann fragen, haben sie sich denn nicht anders verhalten? – Ganz einfach, so die Antwort der einen Seite, weil es ihr Gehirn nicht anders gewollt hat. Allerdings, und das ist der Punkt, würde eine solche Entschuldigung unsere gesellschaftliche Ordnung vollständig aushebeln. Denn wo bleibt dann die Schuldfähigkeit? Alles wäre erlaubt, Nachsicht immer einforderbar und das selbst bei ausgesprochenen Missetaten!
Was macht denn unser Gehirn noch so alles mit uns? Dazu einfach mal hingesetzt und abgewartet, was dann geschieht! - Zunächst nichts. Wenn nichts mit uns passiert, dann wohl auch nichts in unserem Gehirn. Oder nicht viel. Eine Weile gucken wir uns weiter zu. Da fällt unser Blick auf die Schale mit den dragierten Erdnüssen. Einen halben Meter entfernt, da auf dem Tisch. Nein, wir wollen uns davon nicht ablenken lassen, wir wollen einfach nur vor uns hindenken. Also doch ein Wille, selbst dann, wenn wir nichts wollen?
Ewig halten wir das Nichtstun nicht aus. Denn wir wollten doch die Freundin anrufen, den Freund. Soeben war nach einigem Rumpeln die Waschmaschine zum Stillstand gekommen, die Wäsche muss raus und aufgehängt werden. Auch ein Blick in den Briefkasten sollte sein, in die Zeitung, ein anderer nach dem Wetter. Das Brot geht zur Neige, auch die Butter, der Weg zum Supermarkt winkt. Dort gibt es die Tiefkühltruhe mit diesem herrlichem … - Ach Gott, wurscht, Schluss mit der Rumsitzerei! Zuvor aber noch diese eine Überlegung: All das, was es nun zu wollen gibt, hatte es auch zu Beginn des Selbstversuchs gegeben. Warum macht man jetzt damit Schluss und nicht anderthalb Sekunden später oder früher? Was ist das in uns, dass da sagt „Jetzt!“?
Und bei Tieren? Eine Fliege sitzt bewegungslos an der Fensterscheibe. Aber nicht bis in alle Ewigkeit. Irgendwann fliegt sie auf, auch ohne den geringsten äußeren Grund. Warum fliegt sie jetzt auf, fragen wir uns, und nicht anderthalb Sekunde später oder früher? Verfügt ein Tier, selbst wenn es von der Art einer Fliege ist, auch über so etwas wie einen eigenen Willen? Und wenn, dann erst recht ein Hund oder ein Sperling. Auch ein Wasserfloh? Oder gar eine einzelne Zelle, zum Beispiel eine nach Art eines Pantoffeltierchens. Bald schwimmt es dort hin, bald da hin, dreht sich, taucht ab, hernach schwimmt es wieder zur Oberfläche. Alles, als sei es willentlich gesteuert. Als Einzeller hat das Pantoffeltierchen zwar kein Gehirn, dennoch verhält es sich, als ob es willentlich bestimmten Reizen ausweicht und sich anderen nähert. Wie das? Keiner weiß es.
Was sagt die Wikipedia zum Willen, was Schopenhauer,
was sagen wir heute?
Zu „Wille“ heißt es bei Wikipedia (Kapitel Rechtswissenschaft/Allgemeines): Der Wille ist das Ergebnis des vorangegangenen Prozesses der Willensbildung. Wille ist die Fähigkeit von einer Person, sich für ein bestimmtes Verhalten zu entscheiden.[8] Die Willenserklärung als zentraler, sich mit dem Willen befassender Rechtsbegriff des Zivilrechts zeigt, dass mit einem Willen stets auch eine Erklärung verbunden sein muss, um rechtserheblich zu wirken.[9] Friedrich Carl von Savigny stellte 1840 heraus: „Eigentlich muss der Wille an sich als das einzig Wichtige und Wirksame gedacht werden, und nur weil er ein inneres unsichtbares Ereignis ist, bedürfen wir eines Zeichens, woran er von anderen … O Gott, so einfach und doch nicht verstehbar! Weder da noch sonst wo findet man hier unter „Wille“ auch nur einen einzigen Bezug zum Gehirn. Also kann es wohl so wichtig nicht sein, das Gehirn. Könnte man meinen.
Dass der außergewöhnlich kluge Arthur Schopenhauer (1788-1860) in seinen „Aphorismen zur Lebensweisheit“ keinerlei Bezug zum Gehirn aufweist, mag der frühen Zeit geschuldet sein, in der er gelebt und gedacht hat. Auch in seinem Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ macht er sich mit Hirnforschung nicht gemein. Obwohl Hippokrates von Kos (ca. 460–370 v. Chr.) in der ihm zugeschriebenen Sammlung Corpus Hippocraticum das Gehirn bereits als Sitz der Empfindung und Intelligenz vermutet hatte und meinte, dass die bislang als „heilig“ angesehene Epilepsie eine Krankheit des Gehirns sei. Erste Autopsien wurden zur Zeit des Herophilos von Chalkedon (um 325–255 v. Chr.) möglich. Dennoch ist man bis in die Jetztzeit dem Wunder Gehirn nur in einigen Ansätzen nahegekommen. So intensiv daran geforscht wird, da ist nirgendwo auch nur ein Ansatz für die Tiefenerkenntnis gegeben, wie in dem Verbund von 80 bis 100 Milliarden Nervenzellen eines menschlichen Gehirns so etwas wie Wille generiert wird. Andererseits weist das weltweit operierende Recherche-Organ PubMed allein für das Jahr 2023 unter dem Begriff „brain“ 112 567 wissenschaftliche Arbeiten (sog. „papers“) aus. Um sie alle zu kennen, müsste ein Hirnforscher pro Tag 308 solcher Veröffentlichungen studieren!
Der Wählerwille: Auf unser aller Nägeln brennt die Frage (zumindest sollte sie das), wie denn der Schwund des Bildungs- und Leistungswillens in unserer Gesellschaft zu erklären ist, und wie er behoben werden kann. Die Hirnforscher vermögen dazu nichts beizusteuern. Das müssen andere Leute. Und die auszuwählen ist Sache des Wählerwillens.
Wir sind das Volk! - Ähm, wer?
Prof. Dr. Gerald Wolf
Das Wörtchen „wir“ sagt sich leicht dahin, wer aber gehört zum WIR, wer nicht, wer konkret und wer im großen Ganzen? Diesen Fragen hatte sich kürzlich unser Bundespräsident Steinmeier gestellt, dazu ein Buch geschrieben und einen ganzseitigen Zeitungsartikel:
„Die Möglichkeit, ‚wir‘ zu sagen. Patriotismus in unserer Zeit“ (F.A.Z., 15.4.2024).
In dem Artikel wartet der Bundespräsident mit weitgreifenden Überlegungen auf, die darin gipfeln, dass das mit dem WIR so einfach nicht ist. Und schon gar nichts damit zu tun hat oder kaum etwas, ob man in den Grenzen Deutschlands geboren ist, hier schon länger lebt oder erst seit kurzem, ob man die hiesige Sprache spricht oder nicht oder kaum. Vielmehr, so ist der Bundespräsident beim Studium seines Aufsatzes zu verstehen, muss man das WIR einfach nur wollen. Es ist nicht etwa, wie früher, durch den Begriff „Volk“ zu ersetzen, das sagt ein aus 15 Zeilen bestehender, sehr schwer zu begreifender Satz. Und dann: Vorsicht sei gegenüber Menschen geboten, die auf eine mehr oder weniger geschlossene Herkunftsgemeinschaft setzen (wen wohl wird der Herr Bundespräsident damit meinen?). Denn diese Art der WIR-Bestimmung wäre ein für alle Mal vorbei. Allerdings hat man als Leser den Eindruck, dass der Autor des Artikels mit dem WIR selbst seine Probleme hat und über weite Strecken hin eher Ratlosigkeit als eine Lösung des Problems zu bieten hat. So ziemlich zum Schluss heißt es bei ihm: „Mit gemeinschaftlicher Freude, wo uns in und mit Europa ein besseres Land gelingt, und mit dem ruhigen Selbstvertrauen, dass auch wir in der Welt ein gutes Land und ein Beispiel sein können.“ - So einfach ist das!
Doch die Frage nun: Wer gehört nicht zum WIR, wer sind die Anderen, die Fremden? Gibt es die überhaupt? Und der Herr Bundespräsident selbst - frühzeitig wurde Frank-Walter Steinmeier politisch aktiv und erfolgreich - ist er typisch für dieses WIR“? Gehört er überhaupt zu uns, zu uns hier unten, oder ist er von einem anderen WIR, dem WIR von denen da oben? Wenn, wie einst zur Wendezeit, von den Demonstranten gerufen würde: „Wir sind das Volk“, fühlte sich Herr Steinmeier heute angesprochen oder eher ausgeschlossen?
Wir hier unten
Hier in unserer Familie, hier leben wir das WIR. Auch für den Freundes- und den Kollegenkreis gilt das. Ähnlich im Fußball-Club oder bei den Briefmarkensammlern oder den Hobby-Botanikern. Allerdings knirscht es manchmal, hier wie dort. Und das ist ja auch gut, denn immerzu eitel Freude, ständig Gleichklang, nie Kontroversen – nein, ab und zu mal ein Gewitter, eines in der reinigenden Form, das tut not.
Ohnehin gehören alle Menschen dieser Erde ein und derselben Art an. „Homo sapiens“ nennen wir uns, svw. „kluger, weiser Mensch“. Zugleich haben wir allen Grund, uns als „Homo sociologicus“ zu bezeichnen, nämlich als durch Gesellschaftlichkeit geprägte Wesen, als solche nicht zuletzt auch biologisch determiniert. Alle Affenarten sind das, viele Huftiere, die Schwarmfische. Gleich ob in den politischen Ordnungsgefügen oben oder unten rangierend, wir sind ein WIR. Gemessen an der Endlichkeit unserer individuellen Leben gehören all die Querelen im Miteinander in den Luxusbereich unseres Daseins. Ebenso das Oben und das Unten, zumal es sich oben oft schwerer stirbt als unten. Wozu überhaupt das Oben und das Streben Einzelner hinauf in die höheren, nach Möglichkeit in die höchsten Etagen? In allen menschlichen Sozietäten findet sich dieser Drang, gleichviel ob bei den Ovambos in Namibia oder in unseren politischen Parteien.
Wir auf Neuguinea
Die Insel ist politisch in Hälften geteilt, die eine Hälfte - Westguinea zu Indonesien gehörig - verfügt nur an der Küste über Straßen. Keine führt in das Innere. Zwar finden sich hier Siedlungen nach Art der westlichen Zivilgesellschaft, sie sind aber nur per Flugzeug zu erreichen. Wamena zum Beispiel. Hier gibt es Häuser, Straßen und Autos, doch selbst der Straßenasphalt muss eingeflogen werden. Eine Weile ist es her, da drang ich, der Autor, als Einzelner bis in den Randbereich von Wamena vor (KOMPAKT „In die Steinzeit düsen“, 2. Ausgabe Mai 2019) und erlebte dort das, wovon ich bisher nur gelesen hatte: Großfamilien, die von denen der Nachbarschaft streng isoliert sind. Kontaktversuche können schnell tödlich enden, Stammesfehden sind gang und gebe. Ich hingegen hatte damit keine Probleme, ich wurde von einem Marktbesucher Wamenas in einen solchen Stamm eingeführt und dort recht freundlich begrüßt. So erfuhr ich, wie streng das hier mit dem WIR geregelt ist. Der Bundespräsident Steinmeier fände bei diesen Menschen mit seinen Ansichten keinerlei Akzeptanz. Droht, fragt man sich, bei einer derartigen Isolation nicht Inzucht, Fortpflanzung durch Blutsverwandte? Tatsächlich würde eine solche Gesellschaft nicht lange existenzfähig sein. Dagegen ist seit jeher Ein Ausweg im Spiel: Wenn junge Männer im heiratsfähigen Alter sind, werden sie gezwungen, sich eine Frau aus der Nachbarschaft zu rauben. Lebensgefährlich ist das, aber lebenserhaltend. Denn nicht allzu lang hin, dann ist die junge Frau integriert, allemal sind das beider Kinder. Dann wird aus dem Fremdsein ein WIR.
Hallo Fremder!
Zwar ist das bei uns mit dem Wir weit großzügiger geregelt, dennoch haben auch wir es nicht mit einem grenzenlosen Einerlei zu tun. So fällt es den meisten bereits schwer, irgendjemanden ohne ersichtlichen Grund anzusprechen. Okay, nach der nächsten Tankstelle kann man fragen, nach einem Café, einem Supermarkt. Da weiß jeder, der ist fremd und braucht Hilfe. Anders, wenn man hier weder fremd ist noch Hilfe braucht und mit einem x-beliebigen Anderen nur eben mal paar Worte wechseln will. Möglichst gekonnt, also nicht: „Ach das Wetter heute, es ist besser als gestern. Nicht wahr?“ Man möchte sich aber auch nicht der Gefahr ausliefern, dass sich der Angesprochene, dankbar berührt, über sein ganzes Leben verbreitet, inklusive seine Krankheiten. Delikat auch, wollte sich ein einzelner Herr einer ihm fremden Dame per Gespräch andingen. Es sei denn, sie ist bedeutend älter als er. Oder jünger. Auch dann besser nicht. Ebenso wird sich eine Dame hüten, durch allzu große Offenherzigkeit in ein falsches Licht zu geraten.
Tja, wie denn nun? Wie würde sich der Herr Bundespräsident hierbei anstellen, verkleidet natürlich, unkenntlich? Sollte er auf der Straße einen x-beliebigen Menschen einfach mit „Hallo!“ ansprechen und ihm dann bedeuten: „Wir, Sie und ich, wir sind ein WIR. Sie müssen das nur wollen!“
Der beflügelnde Hund
Führt die andere Seite einen Hund mit sich, wird es einfacher:
„Ach“, sagen Sie der Dame, die da mit dem Weimaraner des Weges einherkommt, „ist das nicht mein Hund?!“
„IHR Hund?“, kommt entrüstet die Antwort. „Es ist mein Hund, mein Rolf-Dieter!“
Sie halten Rolf-Dieter zur Prüfung die Hand hin. Doch Vorsicht, besser die Rückseite! Ein wunderschöner Kerl übrigens. Rolf-Dieter schnuppert, schließlich leckt er an Ihrer Hand, ein wenig. Sie triumphieren: „Sehen Sie!“
„Das kann doch nicht wahr …“
Der Dame verschlägt es die Sprache, und sofort beruhigen Sie: „Nein, nein, nur ein Scherz war das. Ich mag einfach Hunde und kann nur schwer an ihnen vorübergehen. Zumal an einem so schönen“.
Die Besitzerin atmet wieder frei. Und lächelt. Sie setzen noch eins drauf, ebenfalls lächelnd:
„Im Ernst jetzt, ich würde Ihnen den Kerl gern abkaufen. So ein schönes Tier!“
Erneute Entrüstung. „Abkaufen, meinen Rolf-Dieter!? Nein und abermals nein. Nie!“
„Aber Sie wissen doch gar nicht, wieviel ich …?“
„Nie und nimmer!“
Und wieder lachen Sie, und nun lacht auch die Dame mit. Aus dem beiderseitigen Sie ist ein WIR geworden.
Auch eine Zigarette tut’s.
Man sieht jemand rauchen, schlendert auf die Dame, auf den Herrn zu, eher etwas schüchtern als forsch, und weist mit Freundlichkeit darauf hin, dass die Atmosphäre durch Rauchen zusätzlich belastet wird. Durch CO2. Entrüstung auf der anderen Seite, von wegen wieso, ähm, … und was bilden Sie sich denn …? Sie winken freundlich ab und sagen, das Ganze ließe sich hinbiegen, wenn man Ihnen einen dieser Glimmstängel verkaufen wollte. Dazu präsentieren Sie einen Euro auf der Handfläche und sagen auf ein großzügiges Abwinken hin, das wär‘s ja noch gar nicht ganz, sie brauchten dazu auch noch Feuer. Niemand, der raucht, mag da widerstehen. Sie ernten ein erlöstes Lächeln und ziemlich gewiss: „Kein Geld, bitte“! Dem ist nun ihrerseits zu widerstehen, von wegen Schnorren brächte Unglück, unbedingt möchten Sie doch bitten … Das wird im Allgemeinen hingenommen. Nach der Transaktion warten Sie noch mit dem Tipp auf, es mit der Raucherei besser ebenso zu halten. Erstens qualmt man weniger und, zweitens, lerne auf diese Weise nette Leute kennen. Das Eis ist gebrochen und ein Wir entstanden.
Nach eigener Erfahrung funktioniert das Kaufen einer einzelnen Zigarette kaum jemals bei einem der „Geflüchteten“, gleichviel ob er aus Syrien, aus Kurdistan oder aus Marokko stammt. Das ist, wie es scheint, nicht mit deren Grundsätzen zu vereinbaren. Außerdem mögen es die Fremden genießen, einmal einen aus dem Gastgeberland freundlich bittend zu erleben. Wenn dieser dann nach dem Woher und nach der Familie fragt, fehlt nicht viel, und man wird nach Hause eingeladen. Ein neues WIR ist entstanden.
Das WIR der Kleinen und das der Großen
Soziale Fähigkeiten entwickeln sich bereits während der ersten Lebensjahre. Und mit ihnen das WIR-Gefühl und das Freund-Feind-Verhalten. Die kognitiven Leistungen reifen langsamer. Deutlich macht das der Umgießversuch: Erst mit dem 5. oder 6. Lebensjahr wird erkannt, dass sich beim Umgießen von Wasser aus einem breiten Gefäß in viele kleinere, hohe Gefäße am Volumen nichts ändert.
Gleich ob Sozialität oder Intelligenz, immer sind sowohl genetische Faktoren als auch Lernprozesse im Spiel. Im Kindesalter werden genetisch gesteuerte Hirnreifungsvorgänge unter fortschreitender Verschaltung der Nervenzellen mit den Erfahrungen in der Umwelt so verquickt, dass ein hoher Individualitätsgrad resultiert. Selbst bei eineiigen Zwillingen ist das so, die bekanntlich über ein und dasselbe Erbgut verfügen. Auch Programme, die für das WIR-Empfinden sorgen, gehören dazu. Erfahrungen mit den Geschwistern und den Kindern aus der Nachbarschaft oder der Kinderkrippe spielen dabei herein. Auch, bitte schön, Handgreiflichkeiten. Die sozialen Erfahrungen setzen sich fort über das Schulalter und die Jugendzeit bis hin zur Gründung einer eigenen Familie. Auch am Lebensende lernt man noch hinzu.
Das Ausmaß der Erfahrungen im gesellschaftlichen Umfeld ist nicht zuletzt beruflich begingt und mag bei Politikern besonders groß sein. Schon aus Image-Gründen liegt bei ihnen der Akzent auf dem WIR. Dabei fragt man sich, gilt der WIR-Appell des Bundespräsidenten auch für dessen Privatleben? Zum Beispiel, wenn es um die Integration von Geflüchteten geht. Reden die Politiker nur über Integration und stellen dazu mit mehr oder weniger Erfolg die Weichen in der Verwaltung, oder sind sie auch zu persönlichen Konsequenzen bereit? Bandeln sie mit Zugewanderten, ihrem Herzen folgend, eben auch einfach mal so auf der Straße an? Laden sie diese zu sich nach Hause ein oder, anders gewendet, sind sie wirklich gern bereit, deren Einladung zu folgen? Begrüßen es unsere Politiker, wenn deren Kinder und Enkel zu den bislang Fremden familiäre Bindungen eingehen? Oder ist das mit der Integration womöglich nur Gerede, nur Getue für die Öffentlichkeit? Und zur Seite unserer Gäste gewandt, wollen diese überhaupt das WIR mit uns? Mit allen Konsequenzen, zum Beispiel auch wahrhaft bitteren der religiösen Art?
Ich, du, er, sie, es
- darauf folgt das WIR. In der Grammatik ganz einfach, alles andere als einfach aber im Leben.
Wissen und Wissenschaft
Prof. Dr. Gerald Wolf
Es gibt so viel Wissbares, doch was schon weiß man von all dem? Und was genau? Seitens der Chemie wird pro Tag über weltweit 15 000 neuartigen Substanzen berichtet. Pro Tag! Was weiß unsereiner davon? Nichts. Und schon gar nichts über die bisher bekannt gewordenen 204 Millionen organischen und anorganischen Substanzen und die 69 Millionen verschiedenen Eiweiß- und Nukleinsäurestrukturen (CAS Registry Number; https://en.wikipedia.org/wiki/Chemical_Abstracts_Service). Klar, wir sind keine Chemiker, aber die wissen auch nur das, was sie direkt angeht. Ansonsten müssten sie sich pro Minute mit 1 440 neuen chemischen Verbindungen auseinandersetzen!
Anders ist das mit dem Wissen über uns selbst, da weiß ein jeder Bescheid, recht genau sogar. Und über diejenigen, die uns nahestehen, über unsere Angehörigen, unsere Freunde. Ebenso weiß man eine Menge über all das, was den eigenen Beruf angeht. Und natürlich wissen wir Bescheid über die Politik und die Politiker, wie die uns … - nun ja, besser, man sagt nichts. Genauer besehen finden sich überall aber auch Grenzen. Sogar im Wissen über uns selbst. Wenn es wichtig wird, gibt es zum Glück Menschen, die besser über uns Bescheid wissen als wir selbst. Zum Beispiel unser Arzt. Konkret: Eine Ärztin ist es. Neulich, als es um den Schmerz unter meinem rechten Rippenbogen ging, meinte sie, „versetzte Winde“ könnten es sein. Nach dem Betasten hier und dem Drücken da - ebenso käme eine Hernie in Frage. Eine „Hernie“? Das Lächeln der Ärztin verriet Unsicherheit. Oder die Gallenblase, mutmaßte sie. Entweder deren Entzündung oder ein Gallenstein. Eine Röntgen-Untersuchung folgte, darauf eine per Ultraschall und eine MRT-Aufnahme. Am Ende sogar eine Endoskopie des Dickdarmes, wie unangenehm! Doch war allemal nichts zu sehen, selbst bei höchster Auflösung nicht. Aufgelöst hat sich mittlerweile auch der Schmerz.
Und die Wissenschaft, was kann diese über uns sagen? Sehr viel, vor allem Grundsätzliches. Auf dem Gebiet der Medizin und deren naturwissenschaftliche Grundlagen erscheinen in der Welt pro Jahr etwa 1 700 000 wissenschaftliche Veröffentlichungen. Ernstzunehmende „Papers“ also, nicht etwa das, was man in Zeitungen und Zeitschriften an Empfehlungen medizinischer Art und „Wissen“ findet. Seit Jahren allabendlich kurz vor der Tagesschau zum Beispiel über das Reizdarmpräparat Kijimea.
Corona, das Böse schlechthin
Jawohl, da war sich alle Welt einig: impfen-impfen-impfen, Mundschutz, Schulschließungen und, so für die Alten in den Pflegeheimen, Isolation. Dazu riefen die Politiker auf, und die ihnen Willfährigen in den Ämtern und Verwaltungen verfügten entsprechende Maßnahmen. Von Ausnahmen abgesehen, waren die Wissenschaftler mit von der Partie. Unisono drückte man Andersdenkenden den Leugner-Stempel auf, schimpfte sie Schwurbler, Covidioten, Verschwörungstheoretiker, Rassisten, Rechtsextreme. Oder Nazis gar. Oft genug beschuldigte man sie, ihrer Kritik an den Coronamaßnahmen wegen „Volksverhetzer“ zu sein. Berufsverbote drohten, seitens einer eilfertigen Judikative sogar Haftstrafen.
„Querdenker“ wurde zum Schimpfwort, obwohl es doch in einer Demokratie gerade auf solche Leute ankommt. Längsdenker gibt es zuhauf, Leute, die so denken, wie ihnen die Obrigkeit und die von ihr dirigierten Medien zu denken vorgeben. Heimlich mag so mancher Längsdenker anders gedacht haben. Sein Motto aber: „Ich sage nichts!“ Nur einzelne Wissenschaftler meldeten in der Coronazeit Skepsis an, auch manche Ärzte. Ihre Bedenken: Der Corona-mRNA-Impfstoff sei nicht ausreichend geprüft, habe womöglich gar keine Schutzwirkung, eher seien impfstoffbedingte Erkrankungen zu vermelden, ja Todesfälle. Und diese in beängstigendem Ausmaß. Nicht post-Covid also, sondern post-Vac! Selbst der Maskenzwang sei medizinisch bedenklich, allemal in individual- und sozialpsychologischer Hinsicht.
Die Politik und ihre Apparate rächten sich fürchterlich. Sie warteten mit Bestrafungen und Entlassungen auf. Allzumal mit entsprechenden Drohungen. Und die Medienleute taten das Ihre dazu.
Die Wissenschaft und „die“ Wissenschaft
Die Wissenschaft ist ein System der Erkenntnisse über die wesentlichen Eigenschaften, kausalen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der Natur, Technik, Gesellschaft und des Denkens, das in Form von Begriffen, Kategorien, Maßbestimmungen, Gesetzen, Theorien und Hypothesen fixiert wird ...
Wikipedia
Und weiter heißt es da:
Wissenschaft ist … ein zusammenhängendes System von Aussagen, Theorien und Verfahrensweisen, das strengen Prüfungen der Geltung unterzogen wurde und mit dem Anspruch objektiver, überpersönlicher Gültigkeit verbunden ist.
Gleich welchen Sachverhalten sich Wissenschaftler widmen, an der Front haben sie es fast immer mit einander widersprechenden Daten und Deutungen zu tun. Da hilft nur eines: der ergebnisoffene Diskurs. Sobald aber eine Person oder eine Institution glaubt, in die Gemengelage solcher Daten oder Erkenntnisse anordnend eingreifen zu dürfen oder gar zu sollen, ist der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit dahin. Ein derart anmaßendes Verhalten leisten sich sehr gern die Chefs, die großen wie die kleinen. Darunter leiden Einzelpersonen, bald kleinere Teams, bald größere, und auch ganze Institute und Kliniken. Diese Chefs gilt es zurückzupfeifen. Doch wer will, wer kann sich das leisten, wer von den Mitarbeitern? Selbstmörderisch wird es für sie, wenn sich das Gros der Kollegen nach oben hin prostituiert. Denn was passiert mit einem einzelnen Widerständler, dessen Anstellung ausläuft (bei Zeitverträgen, wie sie an Universitäten gang und gäbe sind), und er ihrer Verlängerung bedarf?
Besonders problematisch wird es, wenn sich politische Parteien und ganze Staaten aus Eigeninteresse in die Wissenschaft einmischen. Die von ihnen verfügten Erkenntnisse werden samt ihrer bunt bemalten Windeier gern als solche „der“ Wissenschaft propagiert. So geschehen, als es um die Corona-„Pandemie“ ging. Pharmaproduzenten und die von ihnen gekauften Virologen profitierten davon, und die Einflussnahme auf die Bevölkerung reichte bis hin zum Besuchsverbot für Sterbende. Zu denken ist aber auch an die Klima- und die Energiepolitik und an alternative Energiequellen („Energien“, u. a. von einer Bundeskanzlerin so genannt, die ein Physikstudium absolviert hat!). Zu denken ist an ethnologische Fragen im Zusammenhang mit der Migration, an die Geschlechtlichkeit, die Freigabe von Cannabis, den Einsatz und die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz, an die Bewältigung der Finanz- und der Wirtschaftskrise und an die Wirkungsmechanismen globalistischer Kartelle. Im Extremfall kommt es durch „die“ Wissenschaft zu Entgleisungen der doktrinären Art, für die der sowjetische Agrobiologe Lyssenko eines der übelsten Beispiele lieferte. Widerständler wurden – durchaus auch im wörtlichen Sinne (!) – ans Messer geliefert.
Diskurse braucht es
Ohne das Nebeneinander unterschiedlicher Meinungen, Theorien und deren modellhafte Erfassung kommt es in der Wissenschaft zu keinem Erkenntnisfortschritt. Wie atemberaubend entsprechende Diskussionen sein können, erfährt der angehende Wissenschaftler, womöglich Student noch, auf großen Tagungen. Dann, wenn die Primadonnen der jeweiligen Forschungsrichtung ihre Erkenntnisse und Modelle sich gegenseitig um die Ohren hauen. Manche elegant, andere vielleicht weniger wortgewandt, dafür mehr Fakten ausweisend. Kaum jemals werden Widersprüche an Ort und Stelle geklärt. Das alles braucht Zeit. So und nur so reift wissenschaftliche Erkenntnis. In der politischen Praxis fehlt dafür die Zeit, allemal dann, wenn die Wissenschaft maßgeblich hereinspielt. Nur was, wenn der Diskurs nicht nur nicht stattfindet, sondern seitens der Politik unterdrückt wird? Nicht nur um die Wissenschaft an sich geht es, auch um den Bürger, damit er sich, unabhängig vom polit-medialen Machtkomplex, ein Bild vom Stand der Wissenschaft machen kann.
In Coronazeiten haben das Diskursverbot nicht nur die meisten Internisten, Infektiologen und Epidemiologen hingenommen, ebenso Biologen und andere Wissenschaftler. Ist heute nun die Mehrheit der Wissenschaftler bereit, ihre seinerzeitigen Irrtümer einzugestehen, laut und für jedermann deutlich? Nein. Zu peinlich das Ganze! Zumindest fürchtet man um das Wohl seitens der staatlichen und sonstigen Geldgeber. Und viele, viele einzelne - zu Recht - um ihren Sessel.
Schlimmer: Selbst in den großen wissenschaftlichen Gesellschaften rührte und rührt sich in puncto Irrtum im Zusammenhang mit den Coronamaßnahmen noch immer nichts. Bis auf Ausnahmen. Und diese wurden seinerzeit von den sich der Obrigkeit prostituierenden Kollegen verleumdet! Immer berief man sich dabei auf „die“ Wissenschaft. Der Fernsehmoderator und Autor Peter Hahne wünscht dazu nicht länger lasche Ausreden zu hören, sondern endlich das Klicken von Handschellen.
Was tun?
Wissenschaft muss gepflegt werden. Geld ist vonnöten, oft auch viel, vor allem aber Leistungswille. Als Chef wird man versuchen, ihn zu stimulieren, vor allem durch das eigene Vorbild. Mit einer 40-Stunden- oder gar 35-Stunden-Woche kommt man gegen Kollegen, die dafür 50 und 60 Stunden ansetzen, nicht an. Nicht wenige opfern ihre gesamte Freizeit. Zumindest phasenweise. Die Familien leiden darunter. Wer so nicht arbeiten kann oder will, sollte sich besser nach einer anderen Tätigkeit umsehen.
Vor allem ist bei der Jugend auf Leistungsbereitschaft zu setzen. Um Zähigkeit geht es und um üben, üben, üben. Dabei ist Wollen immer besser als Müssen. An die Spitze muss man wollen, wie beim Leistungssport. Wenn sich die weniger Leistungsbereiten mit Schmähworten wie „Streber“ oder „Ehrgeizling“ revanchieren, was kümmert’s.
Leider greift heutzutage in den Leistungsbereichen die Erosion um sich. Allzumal in den westlichen Industrienationen ist das so und, besonders ernüchternd, bei uns in Deutschland. Der Leistungsverfall drängt sich mittlerweile in alle schulischen Phasen und Bereiche. So ist Deutschland im PISA-Ranking ständig abgerutscht. Besonders beängstigend sind die mangelhaften Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen, denn sie untergraben die Fähigkeit zum artikulierten Denken. Auch hat sich im Vergleich zu anderen europäischen Staaten das naturwissenschaftlich-technische Verständnis der deutschen Schüler verschlechtert. Laut Konrad-Adenauer-Stiftung seien etwa 50 Prozent der deutschen Abiturienten nicht mehr hochschulreif. Sie hätten ernste Schwierigkeiten in Mathematik, Deutsch und sogar in sinnerfassendem Lesen. Liegt das an fehlenden Vorbildern? An Gymnasien früherer Jahre wollte mitunter die halbe Klasse das Fach studieren, das von dem Lehrer vertreten wird, dessen Können und Wissen die Schüler persönlich bewundern. Mit Sorge fragt man sich: Welcher Art sind die Vorbilder von heute?
An den höheren Bildungseinrichtungen früherer Jahre waren es die Nobelpreisträger. Insgesamt 87 Nobelpreise sind an Deutsche gegangen. Die meisten davon entfallen auf den Bereich Chemie mit 30 solchen Auszeichnungen, danach folgt die Kategorie Physik mit 27. 17 Nobelpreise gab es für Deutsche im Bereich Physiologie und Medizin und acht auf dem Gebiet der Literatur. Doch all das ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, Vergangenheit. Unter den 100 besten Universitäten der Welt finden sich nur noch 8 deutsche (https://www.timeshighereducation.com/world-university-rankings/2023/world-ranking).
Wer, fragt man sich, gibt heute an den Hochschulen den Ton an? Kaum jemals sind es die Besten ihres Faches. Treffend hat diese Sorge vor einiger Zeit schon der Wissenschaftler und Unternehmer Prof. Dr. Knut Löschke zum Ausdruck gebracht (https://www.ostsachsen-tv.com/ein-statement-auf-facebook-geht-um-die-welt/).
Klar ist, da muss sich etwas ändern. Mit noch mehr Geld? Sicher ist zumeist das vonnöten. Aber vielleicht mehr noch diejenigen in Position zu bringen, die es durch Leistung wirklich verdienen. Mit anderen Worten: Nicht die Politiker und welche Funktionäre auch immer, die, oft schlecht ausgebildet, heute ganz oben anzutreffen sind!
Wo seid Ihr geblieben, Ihr Vögel, Frösche und Fliegen?
Prof. Dr. Gerald Wolf
Wer der Welt offenen Auges begegnet, sieht neben so vielem anderen ihre Natur, sieht Vögel, Frösche und Fliegen. Und die bunte Welt der Pflanzen. Vieles ist mittlerweile verschwunden, was man vor Jahrzehnten und vor vielen, vielen Jahrhunderten gar hätte sehen können. Germanien, so der römische Geschichtsschreiber Tacitus, “mache mit seinen Wäldern einen schaurigen, mit seinen Sümpfen einen widerwärtigen Eindruck“. Das hat sich gründlich geändert. Schon seit dem früheren Mittelalter, als sich hierzulande immer mehr Menschen breitmachten. Kleinere Ackerflächen entstanden, bunte Wiesen, und die Artenvielfalt wuchs. Haustiere trugen das ihre dazu bei, indem sie die gerodeten Flächen kurzhielten und auf ihre sehr natürliche Weise düngten. Überall raschelte es, kroch es, flog es. Natur eben. Zum Teil auch war das noch so, als die Älteren von heute Kinder waren. Und die Jüngeren von heute? Die wissen womöglich noch nicht einmal, wovon hier die Rede ist. Wenn überhaupt Natur, dann können sie sich diese einfach auf digitalem Wege reinziehen. Für deren Wahrnehmung sorgt mühefrei der heimische Bildschirm.
Gleichviel, für Deutschlands Natur werden 50 000 Tier- und 4 000 Pflanzenarten angegeben. Allerdings weiß niemand verbindlich zu sagen, wie viele davon ausgestorben sind. Und, wenn es um die Häufigkeit bzw. Seltenheit der verbliebenen Tier- oder Pflanzenarten geht, „nichts Genaues weiß man nicht“.
Selten oder ausgestorben
Von Insektensterben ist die Rede und von deren Seltenwerden. Blühende Sträucher, gerade jetzt im Frühling, waren einst ein Eldorado für Scharen fliegender Insekten. Heute sieht man, wenn überhaupt welche, nur noch einzelne Tiere. Immerhin. Da finden sich verschiedene Arten von Bienen und Wespen, von Hummeln und Käfern, Schmetterlingen, Zikaden, Milben, Blattläusen und Wanzen. - Wanzen? Richtig, aber nicht die Bettwanze. Sie gehört zwar zu der hierzulande knapp 1000 Arten umfassenden Insektenordnung der Hemipteren, der Wanzen, aber nicht zu den Blütenbesuchern. Vor 30 Jahren war sie bei uns fast ausgestorben, heute erfreut sie sich eines beachtlichen Comebacks. Für Deutschland rechnet man mit knapp 1 000 Wanzenarten. Darunter die prächtig schwarz-rot gezeichnete Streifenwanze. Sie ist in manchen Gegenden recht häufig, andere Arten sind dafür selten. Sogar extrem selten, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben (https://www.rote-liste-zentrum.de/de/Wanzen-Heteroptera-2081.html).
Und so ist es mit vielen weiteren Tierarten. Gibt es die eine oder andere überhaupt noch, fragen sich die Experten. Im Einzelnen sorgen die Roten Listen für eine Auskunft, wenn auch häufig für eine recht lückenhafte:
Rote Liste, Wikipedia
Ein anderes Beispiel die Lurche und Kriechtiere hier in Sachsen-Anhalt (Kapitel_13-14_Lurche-Kriechtiere_Rote_Listen_LSA_BF.pdf (sachsen-anhalt.de).
Ähnlich skandalös sieht es für fast alle anderen Tiergruppen aus, auch für viele unserer Pflanzenarten. Um darüber besorgt zu sein, ist Kenntnis vorausgesetzt, nicht politische Schwafelei. So auch braucht man ordentliche Kenntnisse, um zu sehen, was da auf einer bunten Wiese so alles blüht. Heute bestehen Wiesen zumeist nur aus einer einzigen Grasart, einer besonders ergiebigen. Für die meisten ist das kein Grund, sich zu ärgern - Hauptsache schön grün! Erst recht bleibt das Leben im Wassertropfen den meisten verborgen. Da fehlt nicht nur ein Mikroskop, sondern auch der Drang, dieses Leben kennenzulernen. Ausgesprochenen Spezialisten bleibt es vorbehalten, etwas über die Häufigkeit der einzelnen Arten der Gelb-, Gelbgrün- und Kieselalgen zu sagen, oder über die der Wimpertierchen und Rädertierchen. Sind davon welche selten geworden? Oder gar ausgestorben? Wen schon berührt das!
O Gott, der Klimawandel!
Wenn es um die Gefährdung unserer Natur geht, weiß ein jeder: Der Klimawandel ist es! Tag für Tag und überall kann man das hören und lesen. Und deswegen Klimaschutz! - Klima, was eigentlich ist das? Nun, was Wetter ist, weiß jeder. Fühlen kann man es, messen. Aber Klima?
Einem Kollegen des Autors, einem Physiker, schwillt regelmäßig ein Gefäß auf der Stirn, wenn er auch nur von Klima hört. Nicht müde wird er zu behaupten, dass man das Gerede vom Klima und dessen Wandel aus politischen Gründen braucht. Als Alibi. Bei den riesigen Problemen von heute und dem Versagen in der Politik auf fast allen Feldern helfen, wenn sonst nichts, die Klimasorgen. Und der Kollege weiter dann: Klima sei eben nicht einfach das Wetter und dessen Kapriolen, sondern eine rein statistische Größe über das Wetter. Und das, bitte schön, über viele, viele Jahrzehnte hin gemessen. Um verlässliche Durchschnittswerte also handele es sich. Als der ich, der Autor, versuchte, etwas einzuwerfen, wurde der Kollege fuchtig und betonte, dass sich die Durchschnittstemperatur bei uns über die letzten hundert Jahre hin gerade mal um 1 Grad erhöht habe. Und von wegen Kohlenstoffdioxid, CO2: Nicht mehr als drei bis fünf Prozent speise der Mensch in die Atmosphäre ein. Hinzu käme, dass die Absorptionskurve für die Wärmestrahlung in puncto Ce-O-zwei bereits im Sättigungsbereich sei. - Im Sättigungsbereich? - Jawoll! So der Kollege. Selbst bei einer Verdopplung der atmosphärischen CO2-Konzentration würde das kaum eine Auswirkung auf die globale Temperatur haben. Und diese sei in der letzten Zeit trotz steigender CO2-Konzentration sogar leicht gesunken!
Tja, was denn dann?
Was denn dann, wenn es ursächlich weder das CO2 noch die Erdtemperatur noch überhaupt der Klimawandel sind, die unserer Natur so an den Kragen gehen? Sowohl der heimischen Natur als auch der sonst wo in der Welt. Fernab politischer Statements werden hierfür an erster Stelle die Intensivierung der Land- wie auch die der Forstwirtschaft genannt. Ökonomische Aspekte zwingen dazu, zum anderen das Bevölkerungswachstum. Für die weltweit acht Milliarden Menschen von heute muss eben nun mal anders gesorgt werden als für die 4 Milliarden von 1974. Dementsprechend ist es um die Natur bestellt. Um wenigstens einen Eindruck von ihrer Ursprünglichkeit zu bewahren, bieten die meisten Länder Nationalparks an. Restlandschaften sind das zwar, zumeist aber recht erfolgreiche Unternehmungen. Zudem sind sie tourismusfördernd, mithin für die jeweiligen Länder ein lukratives Geschäft.
Aber kaum wohl für Deutschland und andere hochentwickelte Staaten. Nicht die Bewahrung der Natur steht hier obenan, sondern deren Nutzung. Und das in Gestalt von Forsten, die oft nur aus schnell wachsenden Kiefern und Fichten bestehen, oder von Feldern, die sich mit ihren Monokulturen bis zum Horizont erstrecken. Größtenteils gedeihen hier Getreide und „Energiepflanzen“. Hier wie dort müssen konkurrierende Pflanzen und Tiere („Unkräuter“, „Schädlinge“) weg. Und das so effektiv wie nur möglich. Sei es auf mechanischem Wege oder durch Gifte. Letztere wirken nicht nur dort, wo sie eingesetzt werden, sondern bringen auch anderswo Tiere und Pflanzen um.
Wasser sorgt ebenfalls für Probleme ökologischer Art. Ist es mal zu viel, dann dienen heutzutage Drainagesysteme für eine rasche Entsorgung. Damit geht es der Staunässe an den Kragen, aber auch Tümpeln und Bächen. Und damit all den Tieren und Pflanzen, die dort leben. Bäche werden begradigt, um der Natur so viel wie möglich nutzbares Terrain abzuringen. Sumpfige Wiesen oder Moore gar, weg damit! Erfreulich: Hier und da einmal eine Wiedervernässung - ein Frondienst für den Naturschutzgedanken, nachdem dieser jahrzehntelang vernachlässigt wurde. Nicht zuletzt von den Grünen, die sich allzu gern als Freunde der Natur verstanden wissen wollen. Aber eben auch als erfolgreiche Politiker. Und denen sind mit „Energiepflanzen“ bestellte Felder wichtiger als Sümpfe und Moore. Unter anderem, um weniger auf die Nutzung fossiler Energieträger angewiesen zu sein. Nicht nur um Kohle geht es dabei, auch um Erdöl und Erdgas. Sind die letzteren überhaupt fossil, können ihre Quellen jemals versiegen? Eine Frage, die aus politischen Gründen heftig attackiert wird. Und dann die Kernenergie. Zwar wird sie von der EU mittlerweile als „grün“ etikettiert, den Grünen mit deutschem Pass aber ist sie seit jeher ein Graus. Also weg mit der Kernenergie!
Viel und wenig Wind
Die Windenergie gehört zu den umweltfreundlichsten, saubersten und sichersten Energieressourcen. Heißt es. Mitte des Jahres 2020 zählte man in Deutschland landseitig 29.546 Windenergieanlagen. Doch dämpfen nicht nur technische und ökonomische Probleme wie auch die Schwankungen (Volatilität) der Energie-Erzeugung den Applaus für die Propellerscharen, auch die Ökologen. Denn die rasenden Windräder werden vielen Tieren zum Verhängnis. Mit bis zu 400 Stundenkilometern schneiden die Rotorblätter an ihren Spitzen die Luft. Immer häufiger werden die Propellerriesen nun auch schützenswerten Wäldern eingepflanzt. Opfer sind vor allem Vögel, Fledermäuse und Fluginsekten. Doch wo und wie findet man sie, die Opfer, und wer zählt sie? Allenthalben gibt es Veröffentlichungen zum Vogelschwund und zum Insektensterben, wobei zunehmend auch die Windkraftanlagen eine Rolle spielen. Doch sind die Angaben statistischer Art je nach Tierart und Artengruppe zumeist sehr unzuverlässig.
Ein neuartiges Argument kontra Windenergie ist der Infraschall. Hierbei handelt es sich um Luftschallwellen im Bereich von 1 bis 20 Hertz. Im natürlichen Umfeld können zum Beispiel der Wind oder die Meeresbrandung Infraschall erzeugen. Bei Windenergieanlagen entsteht er durch den periodischen Wechseldruck beim Drehen der Rotorblätter. Sehr tiefe Frequenzen von bis zu 0,25 Hz können resultieren und das bei einer Wellenlänge von knapp 1,4 Kilometer.
Für den Menschen ist der Infraschall unhörbar, für viele Tierarten gilt das aber nicht. Dennoch ist auch für den Menschen der Infraschall nicht unbedenklich. Vor allem Mikrozirkulationsstörungen sollen die Folge von Infraschall sein: Blutdrucksteigerungen, und Schwindel werden genannt, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen (
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35900395). Doch stehen schlüssige Belege noch aus.
Anderes gilt für Tiere. Sie haben oft ganz andere Wahrnehmungsbereiche als wir Menschen, was eben auch für den Infraschallbereich gilt. Und so zeigen sie mitunter ein ausgesprochenes Vergrämungsverhalten. Das heißt, sie verlassen die Region weiträumig. Bei Weidetieren zu beobachten, ist aber auch für freilebende Tiere unterschiedlichster Art zu vermuten.
Erstaunlich, auch noch nach über 30 Jahren Windenergienutzung müssen Betreiber von Windkraftanlagen keinen Nachweis der Verträglichkeit für Mensch und Tier vorlegen. Dazu das Grundgesetz, Artikel 20a:
Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.
Wo seid Ihr geblieben, Ihr Vögel, Frösche und Fliegen?
Die erste Studie zum bis dahin nur "gefühlten" Insektensterben lieferte das Fachmagazin "PLOS ONE" im Oktober 2017. Hiernach sei die Zahl der Insekten in Deutschland nicht eben nur zurückgegangen, nein, regelrecht eingebrochen sei sie: Dreiviertel aller Fluginsekten wären im Verlauf von nicht einmal dreißig Jahren verschwunden. In nur 27 Jahren hätte die Gesamtmasse der gezählten Insekten um 76 Prozent abgenommen. Jede zweite Insektenart sei am Schwinden.
Naturschutzverbände berichten, dass der Verlust von Säugetieren, Vögeln, Fischen, Amphibien und Reptilien zwischen 1970 und 2016 bei 68 Prozent gelegen habe. Mittlerweile sei er auf 70 Prozent gestiegen. Einer internationalen Untersuchung zufolge wären durch die Menschheit mehr als 1 400 Vogelarten ausgerottet worden. Viele Vögel Europas kämpften vor unser aller Augen um ihr Überleben. Die Staaten der EU hätten in den letzten vier Jahrzehnten überdurchschnittlich viele Vögel verloren. Von 600 Millionen ist die Rede. Über den bisherigen Durchschnitt gerechnet entspricht das Tag für Tag einem Verlust von 40 000 Vögeln.
Wer aber zählt die Insekten, die Spinnen- und Krebstiere, wer die Fische in den Bächen, wer registriert den Verlust von Pflanzenarten im offenen Gelände, in den Wäldern, an Wegerändern, wer die Tier- und Algenarten im Wassertropfen?
Der Hund lacht nicht
Vom Lachen und anderen Phänomenen, die nur uns Menschen eigen sein sollen
Prof. Dr. Gerald Wolf
Weil er nicht lachen kann, der Hund. Oder? Wir jedenfalls, wir können es. Und wie! Nur was schon gibt es heutzutage zu lachen? Falls doch, vergeht es einem, sobald man darüber nachdenkt. Überhaupt das Lachen, was passiert dabei in uns, wie muss einem zumute sein? Und Humor, was ist das? Die Politik von heute, wird behauptet, sei nur noch mit Humor zu ertragen. Mit Humor? Mit Galgenhumor vielleicht, meinte kürzlich der Nachbar und lächelte dazu. Kein breites Lächeln war das, eher ein schiefes, ein spitzes. Und sogleich fügte er hinzu: Ein Todeskandidat wird auf den elektrischen Stuhl geschnallt. Einen letzten Wunsch habe er frei, bietet ihm der Gefängnisdirektor an. Darauf der Kandidat: „Ja bitte, wenn Sie meine Hand halten könnten?“ Ein schräger Blick auf den Hund, der mitgekommen war - nein, der konnte darüber nicht lachen. Er kann überhaupt nicht lachen. Natürlich kann er das nicht. Er weiß noch nicht einmal, wie das geht mit dem Lachen. Und selbst wenn er es könnte, dann wüsste er nicht, worüber. Oder? Und wieder dieses „Oder?“, dieses Nichts-Genaues-weiß-man-nicht!
Sokrates war der Erste, dem man nachsagt, er wisse, dass er nichts weiß. Sicherlich war er auf Widerspruch aus, hatte aber auch recht. Irgendwie. Und wir, die wir viel mehr wissen, als man zu Sokrates‘ Zeiten je wissen konnte? Was schon, müssen wir uns fragen, was wissen wir wirklich genau? Noch nicht einmal, warum wir lachen, wenn wir es müssen oder wollen. Humor sei die edelste Form des Lachens, heißt es. Geist wäre da gefragt. Geist, o Gott, was ist denn das? Was wissen wir über den Geist, was über unser Empfinden und über das eines Anderen, über Subjektivität? Klipp und klar können wir sagen, was ein Hammer ist und was eine Säge, aber nicht, was das Behagen in uns ist oder das Missbehagen. Und wie das mit dem Lachen geht und mit dessen Warum. Was gar wissen wir über die Subjektivität eines Tieres? Haben Tiere überhaupt so etwas wie ein Ichempfinden - Hunde, Pferde, Erlenzeisige, Wasserflöhe? Sie können es uns schlichtweg nicht sagen. Anders wir, wir Menschen. Und wie hört sich das an, was wir darüber sagen können? Zum Beispiel darüber, worüber unsereiner lachen muss und andere nicht, nicht können oder nicht wollen. Wie sieht das dann tief drinnen aus? Dort, wo das Subjektive beginnt, in der Tiefe der Seele.
Das zu sagen, fehlen einem jeden von uns die rechten Worte. Das Ausdrucksverhalten verrät da mehr. Entweder ist unser Lachen ein breites, lautes, womöglich ein regelrechtes Gelächter, oder wir lachen nur ein bisschen. Vielleicht auch verkneifen wir es uns, das Lachen, oder wir tun nur so als ob. Und wie ist das mit unserem Hund, wenn er auf dem Rücken liegt, wir ihm den Bauch kitzeln, und er uns dabei sein klaffendes, geiferndes Maul zeigt. Offensichtlich ein Anzeichen von Vergnügen, so wie es uns überkommt, wenn uns jemand freundlich kitzelt. Zwar können wir darüber sprechen, aber wir können es nicht wirklich erklären. Jedenfalls nicht so, dass das Gegenüber unseren inneren Zustand treffend nachempfinden kann. Noch ärger beim Verstehenwollen der Hundeseele. Oder der eines Karpfens oder einer Schmeißfliege. Haben die überhaupt eine Seele? Wenn ja, wieso? Wenn nein, wieso?
Rot und Grün, gänzlich unpolitisch
Von Farbenblinden abgesehen, können wir alle Rot von Grün unterscheiden. Und sonstige Farben. Dafür gibt es in der Netzhaut des Auges spezielle Sinneszellen, Farbrezeptoren genannt, und diese in drei Klassen: solche für Rot, für Grün und für Blau. Bei Gelb antworten neben den Rezeptoren für die Farbe Grün auch die für Rot, und das je nach Farbton in jeweils unterschiedlicher Intensität. Allerdings ist die Bestückung der Netzhaut mit solchen Rezeptorzellen von Mensch zu Mensch verschieden. Die einen haben mehr Rezeptoren für Rot, dafür weniger für Blau oder Grün, bei den nächsten mag es anders verteilt sein. Entsprechend sollten sich die Farbempfindungen von Mensch zu Mensch unterscheiden. Genau das aber lässt sich nicht ermitteln. Wie auch sollte man darüber sprechen können? Krasser noch: Objektiv gibt es überhaupt keine Farben – nur Licht unterschiedlicher Wellenlänge, und wir Farbtüchtigen erkennen darin Farben! Für die Empfindung eines gewissen „Gelbgrüns“ benutzen wir ein und dieselben Begriffe, allerdings eben ohne wirklich wissen zu können, wie der Nachbar dieses Gelbgrün sieht.
Ähnlich ist das mit dem Hören von Tönen und Geräuschen, mit Hautempfindungen, Schmerz oder Signalen aus dem Körperinneren. Genauso mit dem Geschmack eines „edlen“ Burgunders - für die einen ein Traum, für andere eine entsetzlich bittere Plörre. Wir kennen von uns das Gefühl für Ekel, für Freude und für Zuneigung, wie aber erlebt ein Anderer solche Zustände? Gar erst wenn es um die Liebe geht und, späterhin, um den Hass. Die Belletristik lebt davon. Wieder eine Oktave runter: Wie empfindet jemand Rachmaninovs Drittes Klavierkonzert, wenn er ansonsten auf Rap steht oder überhaupt nichts von Musik hält? Nur von Fußball. Oder wenn er einen Blick auf den „Schrei“ von Edvard Munch wirft und dann einen ersten, einen zweiten und dritten auf das Matterhorn? Wie, ein weiteres Beispiel, sollten wir uns in einen Wanderer hineinversetzen, wenn er auf eine Kreuzotter stößt oder auf eine Blindschleiche, wie seinen Schreck nachempfinden? Womöglich lacht er, wenn er die Harmlosigkeit des Tieres erkennt. Oder er ist dennoch käseweiß und muss sich erstmal hinsetzen. Natürlich werden wir als Beobachter versuchen nachzuempfinden, als ob wir selbst die Betroffenen wären. Nur, was kommt dabei heraus? Bei einer besorgten Mutter sicherlich etwas anderes als bei der Schwester, dem Bruder oder der Freundin, so sie zur Wandergruppe gehören. Und wieder die Frage, wo sind die Grenzen der Mit-Empfindsamkeit. Bei einem Hochsensiblen liegen sie ganz anders als bei einem Gefühlsarmen, einem Psychopathen gar.
Ganz tief drinnen
Regelrechte Berühmtheit erlangte der Fall des Norwegers Anders Behring Breivik, der im Jahr 2011 aus einem von ihm selbst bekannten rechtsextremen Motiv heraus an einem einzigen Tag 77 (!) Menschen tötete. Die mit dem Fall befassten Experten waren sich über die Schuldhaftigkeit uneinig, und sind es großenteils wohl bis heute. Ist nun dieser Brevik ein Psychopath, der mangels Gefühlsfähigkeit zu diesem Verbrechen bereit gewesen war, oder ist er weder psychotisch noch (wie von gerichtspsychiatrischer Seite her ebenfalls vermutet) schizophren? Krank oder normal, schuldig oder nicht schuldig?
Gleichviel, wie fern muss man anderen Menschen sein, um eine derartig unmenschliche (unmenschlich?) Scheußlichkeit zu begehen?
Ähnlich spielt auch im „normalen“ Leben eine allzu große Ferne zum Ich der Anderen eine Rolle, obschon viel weniger extrem. Derartige Fälle gehören bei Psychotherapeuten und in den Kinder- und Jugendpsychiatrien zur täglichen Praxis, ebenso bei Familienrichtern, Lehrern und Kindergärtnerinnen. Oft auch tragen die Freunde und die Wohnungsnachbarn mit daran. Die ärgsten der Problemfälle sind durchaus nicht immer Psychopathen zuzurechnen, aber oft. Denn nicht nur finden sich solche Menschen als Straftäter in den Gefängnissen, nein, als manipulativ besonders Begabte mitunter auch auf Chefetagen, in der Werbebranche, da und dort auf den Bühnen der Unterhaltungsindustrie und wohl ebenso in der Politik. Die Erfolgreichsten unter ihnen zeichnen sich durch eine hohe Intelligenz aus, durch Charme, Pathos, laxen Umgang mit Fakten, Geschwätzigkeit und: Sie haben keine sonderlichen Probleme mit dem Schamgefühl und mit Gewissensbissen.
Robert D. Hare, ein kanadischer Kriminalpsychologe, meint dazu, die Rücksichtslosigkeit der Psychopathen sei es, die ihnen im Wettbewerb mit Anderen einen Vorteil verschaffe. Ein Mangel an Empathie also, an Mitgefühl. Andere hingegen behaupten eher das Gegenteil belegen zu können. Nämlich dass psychopathisch „Begabte“ durchaus mit Anderen mitfühlen können und sie gerade dadurch bestens zu manipulieren wissen. Allerdings eben ein Mit-fühlen ohne mit-leiden zu müssen. Untersucht man diese Menschen in einem Gehirn-Scanner, währenddessen ein Film demonstriert, wie jemandem in derb schmerzhafter Weise ein Finger umgebogen wird, passiert in dem Hirnareal, das für Mit-Leiden zuständig ist, auffällig wenig.
Fast ebenso beunruhigend ist, dass die Rigorosität psychopathisch Veranlagter von Anderen gern als Stärke angesehen wird. Viele zollen ihnen hohen Respekt, ja Verehrung. Umso mehr dann, wenn es nicht nur um die Manipulation Einzelner geht, sondern um die eines ganzen Volkes. Worte für Empfindungen wissen sie so einzusetzen, dass solche mit positiver Wertung in solche mit negativer umbewertet werden, Zorn in „Hass“ umgemünzt, Widerrede in Hetze. Einige im Schwarm der Anonymen „schwärmen“ geradezu für solche Art von Führungspersönlichkeiten – Schwarmdummheit eben.
Und Hunde? Auch unter ihnen gibt es Problemfälle. Zum Beispiel solche, die ihre Herrschaft beißen. Tierische Psychopathen gewissermaßen. Hier sorgt der Mensch ganz einfach für Abhilfe.
Gelaber
Prof. Dr. Gerald Wolf
Gelaber, labern - in Synonymwörterbüchern heißt es dazu:
schwatzen, schnacken, quatschen, babbeln, rumfaseln, palavern, plappern, plauschen, parlieren, schwafeln, rumschwätzen, daherschwätzen, herumtönen, schnattern, herumeiern, schwadronieren, einfältiges Zeug reden, sinnloses Gerede, Laberhans, Labersack, Geseire, Seirich ...
Verschiedene Begriffe zwar, mehr oder weniger aber ein Einerlei, typisch für das Labern eben. Laberer (korrekt: Laberinnen und Laberer) reden und reden, schreiben und schreiben, wiederholen sich ständig, und alles ist arm an Sinn. Nach einer Laber-Attacke fragt man sich, um was es am Ende eigentlich ging. Beim nächsten Mal besser das Weite suchen!
Wird eine solche Haltung der anderen Seite gerecht? Womöglich hat die Laberei doch einen Sinn. Zum Beispiel, um miteinander ein bisschen Spaß zu haben, um Sympathien zu gewinnen oder um Kontakte zu pflegen. Leute, die das Labern weder können noch wollen, bleiben oft isoliert. Bei sozial lebenden Tieren ist das ähnlich. Schon aus Existenzgründen muss da mitgelabert werden. Denken wir an das monotone Gekrähe in einem Krähenschwarm. Es bedeutet all den Mitkrähen: „Ich bin hier, Ihr doch wohl auch, lasst uns mal schön zusammenhalten!“ Und das geht unter Umständen stundenlang so. Ist das Laberei? Ähnlich das Geschrei und Gekreisch an einem Vogelfelsen. Je nach Vogelart ist es ganz unterschiedlich, die Platzordnung wird damit gewahrt. Pinguine erfahren durch das monotone Rufen ihrer Jungen, wo unter den tausenden anderen der eigener Balg steckt. Auch Menschen kommunizieren in Paniksituationen auf eintönige Weise. Da gilt es, möglichst laut und immer aufs Neue zu rufen, allein um zu signalisieren: „Hier bin ich, hier! Komm, kommt schnell!“ - Gelaber? Gewisslich nicht.
Gewiss aber gibt es Gelaber. Es ist sozusagen das Kontrastprogramm zur Übermittlung von Tatsachen, Wissen oder Vermutungen, von Absichten, Behauptungen, Gefühlen und Glauben, von Befürchtungen oder Drohungen. Bis hin zu dem Bedürfis, mit Wissen anzugeben. Selbst wenn es nur vermeintliches Wissen ist, kann das interessant sein oder amüsant, fernab von Gelaber. Gelaber hin, Gelaber her, mitunter ist das eine vom anderen zu unterscheiden recht schwer.
Indes wenn von